Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
sich.
Der Kapuzenmönch betrat den Raum.
»Bringen Sie meinen Freund auf sein Zimmer. Ach ja, darf ich um Ihr Handy und die Unterlagen bitten.«
Ich stellte den Koffer mit den Dokumenten vor seine Füße, machte aber keine Anstalten, ihm mein Telefon auszuhändigen.
»Bitte, geben Sie es mir. Pater Orchus«, er wies auf die Kapuze, »bessert das Einkommen seines Ordens als Catcher auf.«
Der Genannte streifte die Haube ab. Sein vernarbtes Gesicht und die verbogene Nase veranlassten mich, das Handy hastig auf den Tisch zu legen und dem Koloss in der Kutte zu folgen.
Mein Schlafplatz glich eher einer Gefängniszelle als einem Gästezimmer. Bett, Tisch, Stuhl und ein paar
Heiligenbilder waren das einzige Inventar.
»Wo ist die Toilette?«
Orchus stand im Türrahmen. »Unter dem Bett. Ich wecke um sechs Uhr.« Dann schloss er die Tür, und ein Schlüssel drehte sich.
Ich drückte die Klinke. Er hatte tatsächlich abgeschlossen.
Ein Blick aus dem Fenster ließ mich gleich den Gedanken an Flucht vergessen. Der Raum befand sich im dritten Stock und lag zu einem Innenhof, dessen Abmessungen ich in der Dunkelheit nicht erkennen konnte.
»Nur die dümmsten Kälber suchen sich ihren Metzger selber«, brummte ich resignierend in mich hinein. Lutz hatte mich mit meiner Neugier auf die sanfte Art in seine Gewalt gebracht.
»Du bist ein Arschloch«, waren meine letzten Gedanken.
29
Orchus hatte mich um sechs Uhr geweckt und brachte mich im Erdgeschoss in eine Art Essküche mit Schlachtraum-Flair. Alles war gekachelt. An der Längsseite blinkte eine Edelstahlküche, an der zwei Asiaten werkelten. Der Esstisch war aus rohem Fichtenholz und bot zwanzig Leuten Platz.
»Was wollen Sie frühstücken?«, fragte einer der kleinen Männer.
Der andere stellte zwei Blechkannen auf den Tisch und deckte für zwei ein.
Wider besseres Wissen bestellte ich Speckeier und Grapefruitsaft.
Ein Korb Weißbrot, Butter, Käse und geräucherter Schinken wurden aufgetragen.
»Kanne links, Kaffee. Kanne recht Tee«, klärte mich einer der Köche in gebrochenem Französisch auf.
»Haben Sie gut geschlafen?«, dröhnte die Stimme von Pater Lutz, als er eine halbe Stunde später hereingeeilt kam.
»Sperren Sie Ihre Gäste immer mit einem Nachttopf ein?«, machte ich meinem Missmut Luft.
Er schaute irritiert zwischen mir und dem Koch, der ihn nach seinem Wunsch fragte, hin und her und fing an zu lachen.
»Nehmen Sie es bitte nicht als Unhöflichkeit, dass ich lache. Es ist mir wirklich peinlich. Aber ich hätte daran denken müssen. Orchus ist mit Leib und Seele als Seelsorger in den Gefängnissen tätig. Er versucht den schweren Jungs anhand seiner eigenen kriminellen Vergangenheit die Hoffnung auf ein besseres Leben danach zu vermitteln. Türen abzuschließen ist ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Bitte verzeihen Sie ihm. Und für die einfachen Räumlichkeiten kann ich nur um Verständnis bitten. Mein Zimmer sieht auch nicht anders aus. Es ist nun mal so, dass sich nur die deutschen Kirchen auf dem Polster der Kirchensteuer ausruhen können. Meine französischen Kollegen müssen sich jeden Tag etwas einfallen lassen, damit der Orden morgen noch etwas zu essen hat. Kirchen aller Konfessionen leben hier von eigener bürgerlicher Arbeit, von Spenden und, na ja, auch vom Betteln. Hat aber auch seinen Vorteil. Gelder, die man sich hart erarbeitet, steckt man nicht zu achtzig Prozent in die Verwaltung, um dann, wenn es wie immer nicht für die Basisarbeit reicht, nach mehr vom Staat zu schreien.«
Ich hatte ihm ruhig zugehört und mir dabei Gedanken gemacht, ob ich unter diesem Aspekt aus der Kirche austreten sollte.
»Haben Sie mir vergeben ...?«
Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Dieser Jesuit war ein Chamäleon, das sich blitzschnell jeder Situation anpasste.
»Ja, an allem muss gespart werden«, fuhr er fort, »nur wenn es hier ans Essen geht, dann gibt es eine Palastrevolution. Brot weiß, grau, Butter, Marmelade, Käse und Wurst aus der Zellophanhülle. Fertig ist der Tagesbeginn bei den Deutschen. Hier begrüßt man den Tag mit einem opulenten Mahl. Das macht doch gleich viel friedlicher. Oder empfinden Sie das anders?«
»Ich werde gleich trotz opulenten Frühstücks sehr unfriedlich, wenn wir nicht bald auf den Punkt kommen«, knurrte ich. Dieses Gerede begann an meinen Nerven zu zerren. »Was soll dieser Zirkus mit der Entführung, dem Austausch der Dokumente und diese dubiose Verfolgungsjagd? Alles was Sie
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