Im Schatten des Palazzo Farnese
geringste Spur eines Verdachts fand. Da es nun mal so war, sah sich Ruggieri gezwungen, seine Meinung ein wenig zu ändern. Vielleicht würde es eine Möglichkeit geben, einen gegenseitigen Beistandspakt mit ihm zu schließen.
»Was für Beschuldigungen liegen gegen Claudius Valhubert vor?« fragte Valence, nachdem Ruggieri ihm einen Stuhl angeboten hatte.
Ruggieri verzog das Gesicht.
»Im Grunde keine einzige. Nur dort gewesen zu sein, als er nicht hätte dort sein dürfen.«
»Wie alt ist der junge Mann?«
»Sechsundzwanzig. Man weiß, daß er Angst vor seinem Vater hatte. Jetzt schluchzt er natürlich und verlangt nach ihm. In Wahrheit machte ihm sein Vater das Leben schwer. Fast zwei Jahre ist Claudius Valhubert jetzt an der École Française in Rom, aber er schafft es nicht, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, der dort vor ungefähr zwanzig Jahren eine leuchtende Spur hinterlassen haben muß. Wenn ich recht verstanden habe, hat Henri Valhubert seinen Sohn unaufhörlich gedemütigt, indem er ihn antrieb, besser zu werden. Seitdem der Junge in Rom ist, war er schon in zahlreiche Geschichten verwickelt. Nächtliche Ruhestörung, Trunkenheit und Ärger mit Mädchen. Valhubert Senior durfte es nicht erfahren.«
»Ist das hinsichtlich Claudius alles?«
»Ja.«
»Und die Freunde, die ihn am Mordabend vom Platz geholt haben?«
»Die stehen ihm so nahe, daß sie ihm sogar nach Rom gefolgt sind. Zwischen den dreien gibt es etwas, das normale Vorstellungen übersteigt, eine etwas überspannte Freundschaft, wenn ich so sagen darf.«
»Alter und Lebensumstände?«
»Thibault Lescale, genannt Tiberius, ist siebenundzwanzig. David Larmier, genannt Nero, ist neunundzwanzig. Keiner der beiden gehört der École Française an. Sie haben Claudius begleitet und studieren auf eigene Faust, wobei sie sich ein Universitätsstipendium teilen. Nach allem, was ich gehört habe, sind sie brillant.«
»Und Monsignore Lorenzo Vitelli?«
»Wir haben ihn mit dem Teil der Ermittlungen betraut, die den Vatikan betreffen. Es ist schwierig für uns, dort offen zu intervenieren, und daher unerläßlich, daß Vitelli den Vatikan, in welchem er ein und aus geht, von innen überwacht.Wir haben auf die Gefahr verwiesen, in der sich Claudius Valhubert befindet, und ihn dazu bewegen können, uns zu helfen.«
»Wie hat er Henri Valhubert kennengelernt?«
»Monsignore Vitelli ist der älteste Freund seiner Frau Laura, fast so etwas wie ein Bruder. Über ihn hat Valhubert sie vor mehr als zwanzig Jahren in Rom kennengelernt. Als er seinen Sohn an die École Française schickte, hat er Lorenzo Vitelli, einen gelehrten Mann von hohem Ansehen, natürlich gebeten, seinem Jungen zu helfen. Und wer Claudius Valhubert nimmt, nimmt damit auch Tiberius und Nero. Es gibt sie nur im Dreierpack. Doch ich habe den Eindruck, daß der Bischof die drei Jungen schätzen gelernt hat. Etwas merkwürdig allerdings für einen Mann der Kirche, schließlich haben sie durchaus ihre eigenwilligen Seiten.«
»Haben die drei eigenwilligen jungen Männer solide Alibis?«
»Eben nicht. Es sind keine Typen, die bei einem Fest ständig auf die Uhr sehen oder die wissen, wo sie sich zu der und der genauen Uhrzeit gerade aufhalten werden. Sie improvisieren ihr Leben.«
»Ich verstehe. Hat der Bischof ein Alibi?«
»Monsieur Valence, Monsignore braucht kein Alibi.«
»Beantworten Sie zunächst meine Frage.«
»Auch kein Alibi.«
»Sehr gut. Wie hat er den gestrigen Abend verbracht?«
»Er hat zu Hause in einem kleinen Stadtpalais, das er mit vier Amtsbrüdern teilt, gearbeitet. Die anderen Prälaten waren zu Bett gegangen. Tiberius hat ihn heute morgen geweckt, um ihn über das Drama zu unterrichten und ihn zu bitten, uns den Brief zu bringen, den Henri Valhubert ihm geschickt hatte.«
»Also keinerlei Alibi für die vier, was sie praktisch automatisch entlastet. Wenn man ein Verbrechen wie das vorliegendeplant, sorgt man für eine solide, überzeugende Verteidigung. Alle Mörder, die ich kennengelernt habe und die kaltblütig genug waren, Gift vorzubereiten und zu verwenden, hatten betonharte Alibis. Genau das müssen wir suchen, Leute, die solide und überzeugende Alibis haben. Was noch?«
»Madame Laura Valhubert wurde informiert. Sie trifft heute abend in Rom ein, um die Leiche zu identifizieren. Ihr Stiefsohn hätte diese Belastung nicht ertragen. Sie hat darum gebeten, es an seiner Stelle zu tun. Möchten Sie ihr Alibi hören?«
»Ist das
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