Im Schatten des Palazzo Farnese
unerläßlich?«
Ruggieri zuckte mit den Schultern.
»Immerhin ist sie die Frau des Toten. Aber ihr Alibi ist … solide und überzeugend. Sie war gestern abend in ihrem Landhaus in der Nähe von Paris, das heißt, zweitausend Kilometer von Rom entfernt. Sie hat bis spät in der Nacht gelesen. Das bestätigt die Hausmeisterin, die sie heute gegen Mittag geweckt hat. Telefon gibt es dort nicht, wir haben ziemlich lange gebraucht, bis wir sie erreicht haben. Niemand wußte, daß sie aufs Land gefahren war. Sie hat nicht gut auf die Nachricht vom Tod ihres Mannes reagiert, aber auch nicht allzu schlecht. Sagen wir, ich habe schon Schlimmeres erlebt.«
»Was nichts bedeutet.«
»Claudius Valhubert erwartet seine Stiefmutter wie den Messias«, fügte Ruggieri lächelnd hinzu. »Die drei Jungs scheinen regelrecht für sie zu schwärmen, sie reden untereinander über sie. Was sagen Sie dazu? Merkwürdig, nicht wahr?«
Valence hob rasch den Blick, und – er verstand nicht warum – Ruggieri senkte den seinen.
»Egal«, murmelte Ruggieri, während Valence aufstand, um zu gehen. »Machen Sie nur Ihre Verschleierungsarbeit,das ist Ihre Sache und die Ihres Ministers. Es wird mich bei der Erfüllung meiner Pflicht nicht stören.«
»Das heißt?«
»Daß ich es, falls der junge Claudius schuldig ist, so oder so publik machen werde. Ich mag Mörder nicht.«
»Und der hier ist ein Mörder?«
»Es sieht mir ganz danach aus.«
»Mir scheint, wir haben nicht dieselben Methoden.«
»Mörder zu schützen ist keine Methode, Monsieur Valence. Es ist ein Verhalten.«
»Und zwar meines, Signor Ruggieri, vorausgesetzt, es lohnt sich.«
11
Als Richard Valence vor den Mauern des Vatikans ankam, machte er halt, um zu telefonieren.
»Inspektor Ruggieri? Ich brauche eine Auskunft: ein großer junger Mann, dunkles Haar, kantiges Gesicht, breite Schultern, elegante Kleidung, hält beim Gehen die Arme im Rücken verschränkt, sagt Ihnen das etwas?«
»Schwarzes Jackett?«
»Ja.«
»Einen goldenen Ring im Ohr?«
»Möglich.«
»Das ist Thibault Lescale, genannt Tiberius.«
»Dann informiere ich Sie, daß besagter Kaiser mir folgt, seit ich die Räume der Polizei verlassen habe.«
»Sind Sie sich sicher?«
»Beruhigen Sie sich, Ruggieri. Er folgt mir, das ist absolut sicher, aber er tut es ohne jegliche Diskretion, ganz im Gegenteil. Man könnte meinen, es amüsiert ihn.«
»Ich verstehe.«
»Um so besser, Ruggieri, denn Sie werden mir das erklären. Bis später.«
»Wo gehen Sie hin, Monsieur Valence?«
»Monsignore Lorenzo Vitelli besuchen. Ich habe keine Zeit zu verlieren und glaube, daß ich ihn auch am Sonntag im Büro antreffen werde. Ich will mit einem Statisten beginnen, der ein bißchen außerhalb des Schachbretts steht.«
»Sie würden besser daran tun, direkt ins Zentrum des Spiels vorzudringen.«
»Da, wo es blutet? Dazu ist immer noch Zeit. Wenn Sie auf das Tier zustürzen, flieht es – wenn Sie eine Treibjagd veranstalten, werden Sie es einfangen. Eine ziemlich bekannte Sache.«
Ruggieri legte heftig auf. Valence war bereit zur Zusammenarbeit, er sagte, wohin er ging und was er zu tun beabsichtigte, aber er war so herzlich wie ein Haufen Steine. Und Ruggieri, der lange Unterhaltungen, verlorene Zeit, Beweisführungen und langwierige Darlegungen mochte, nun eben alles, was das Reden vergnüglich machte, sah, wie quälend der Kontakt zu diesem mit allen Gedanken und Gesten so sparsamen Mann werden würde.
Bischof Lorenzo Vitelli saß tatsächlich bei der Arbeit und willigte ein, Richard Valence in seinem Arbeitszimmer zu empfangen. Valence lächelte ihn an, als er ihm die Hand gab. Er lächelte nicht viele Menschen an, aber dieser große Bischof gefiel ihm. Er stellte sich flüchtig vor, daß, wäre er jünger und ruheloser gewesen, er sich vielleicht die Hilfe eines solchen Mannes gewünscht hätte. Valence sah ihm zu, wie er seinen Platz hinter dem Schreibtisch wieder einnahm. Vitellis Gesten waren langsam, ohne diese weichlich-joviale Diskretion, die Juristen, Ärzte und Kirchenleute bisweilen an sich haben und die eher abstoßend als beruhigend sein kann. Die Robe hatte seinen Leib nicht geschluckt, und er war nicht unangenehm anzuschauen. Das war er also, der Freund aus Kindheit und Jugend von Laura Delorme, verheirateter Valhubert.
»Man hat mich darüber informiert, welche Art Auftrag Sie nach Rom führt«, begann Lorenzo Vitelli. »Da ich die Position von Henri – ich meine die seines Bruders –
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