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Im Schatten des Palazzo Farnese

Im Schatten des Palazzo Farnese

Titel: Im Schatten des Palazzo Farnese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Ungezwungenheit machten die Dinge zwischen den beiden Männern gewiß nicht einfacher. Einstweilen schienen beide sich etwas von ihm zu erhoffen.
    »Wenn es um die Liste der ständigen Bibliotheksbenutzer geht – dazu bin ich noch nicht gekommen«, begann Vitelli. »Ich habe einen offiziellen Besuch am Hals und muß das gesamte Protokoll organisieren. Das läßt mir nicht viel Freiraum für Ihre Ermittlungen.«
    »Was für eine Liste?« fragte Ruggieri.
    »Die der häufigen Benutzer der Bibliothek«, erklärte Valence.
    »Ach so, ja. Das sehen wir später. Heute geht es um etwas anderes.«
    Instinktiv ging der Bischof in die Defensive. Dieser Polizist nahm eine eroberungslustige Attitüde an, die ihm nicht gefiel und hinter der ein irgendwie reines Gewissen stand, von dem er sich nichts Gutes erwartete.
    »Ist etwas mit den Jungen?« fragte er.
    »Nein, es geht nicht um die Jungen. Es geht um ein Mädchen.«
    Ruggieri wartete auf eine mögliche Reaktion des Bischofs, aber Vitelli sah ihn an, ohne etwas zu sagen.
    »Es geht um Gabriella Delorme, Monsignore.«
    »Ah! Da sind Sie schon angekommen«, bemerkte Vitelli seufzend. »Und, was ist mit Gabriella? Macht sie Ihnen Sorgen?«
    »Sie ist die leibliche Tochter von Laura Valhubert, empfangen sechs Jahre vor deren Heirat.«
    »Na und? Das ist für niemanden ein Geheimnis. Die Kleine wurde legal unter dem Namen ihrer Mutter im Geburtenregister eingetragen.«
    »Ein Geheimnis für niemanden außer für Henri Valhubert natürlich.«
    »Natürlich.«
    »Finden Sie das normal?«
    »Ich weiß nicht, ob das normal ist. Es ist nun mal so, das ist alles. Ich nehme an, Sie erwarten, daß ich Ihnen die Geschichte erzähle, nicht wahr?«
    »Bitte, Monsignore.«
    »Habe ich aber ein Recht dazu?«
    Vitelli stand auf und zog ein kleines Album aus dem Bücherregal. Er blätterte schweigend darin, dann trommelte er mit den Fingern auf den Einband.
    »Andererseits hat das jetzt, nach Henris Tod, keine so große Bedeutung mehr«, sagte er dann. »Überhaupt keine Bedeutung mehr. Es gibt an dieser Geschichte nichts, was es verbieten würde, sie zu erzählen. Sie ist einfach nur ein bißchen traurig, und vor allem sehr gewöhnlich.«
    »Vor allem ist es die Geschichte einer unehelichen Geburt und einer minderjährigen Mutter, Monsignore«, bemerkte Ruggieri.
    Vitelli schüttelte müde den Kopf. Bei der Vorstellung, wie viele Ruggieris überall auf der Erde herumliefen, fühlte er sich plötzlich tief betrübt. Allein in diesem Moment wurden bestimmt mehrere tausend Ruggieris geboren, die später die ganze Welt nerven würden.
    »Herr Polizeiinspektor«, sagte Vitelli langsam und prononciert. »Ist Ihnen klar, daß man sehr genau hinsehen muß, bevor man die Regeln des göttlichen Worts so schonungslos anwendet? Was, glauben Sie, ist die Theologie? Ein Exekutionshof? Was, glauben Sie, ist meine Aufgabe? Belohnungen hinterherzujagen?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte Ruggieri.
    »Er weiß es nicht«, seufzte der Bischof.
    Ruggieri hatte ein Notizbuch gezückt und erwartete die Geschichte. Was der Bischof denken mochte, war ihm vollständig egal, ihn interessierte allein die Geschichte von Laura Valhubert.
    »Sie wissen, daß Laura vier Jahre jünger ist als ich und ich sie von Kindesbeinen an kenne«, begann Vitelli. »Wir wohnten in einem Außenbezirk von Rom in zwei aneinandergrenzenden Elendsquartieren. Zehn Jahre haben wir uns allabendlich auf dem Bürgersteig getroffen und miteinander geredet. Im Alter von fünfzehn Jahren begann mich das religiöse Leben zu locken, Laura dagegen hatte gänzlich andere Absichten. Übrigens war sie von meinen Vorhaben überhaupt nicht begeistert. Das wurde unter uns sogar zum Scherz. Ich konnte keine Zigarette mehr rauchen und mich an keiner Prügelei auf der Straße mehr beteiligen, ohne daß sie gesagt hätte: ›Lorenzo, ich seh dich nicht als Pfarrer, nein, wirklich nicht.‹«
    Der Bischof lachte.
    »Und vielleicht hatte sie nicht mal unrecht, da mich auch Signor Ruggieri nicht als Pfarrer sieht, nicht wahr? Dennoch lag mir daran, und ich habe mich auf das Priesteramtvorbereitet. In dieser Zeit wurde sie immer schöner, so schön, daß die Leute es schließlich bemerkt haben und es sich herumgesprochen hat. Unaufhörlich tauchten Männer auf, die mit ihr ausgehen wollten, Jungen aus dem Viertel und auch Jungen ›aus der Stadt‹, darunter ein paar sehr reiche. Laura fragte mich immer nach meiner Meinung über die Neuen, was ich von ihrem

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