Im Schatten des Verraeters
als er mit dem Lieferwagen auf den Hof zufuhr. Er bremste und hielt, stellte den Motor ab und blieb sitzen, den Blick auf die Veranda gerichtet. Nach einer Weile sprang er aus dem Wagen und stieg die Stufen empor.
Er nahm die Beretta aus dem Gurtband, hielt sie entsichert gegen den rechten Schenkel und trat ein. Die Küche war dunkel, aber unter der zum Wohnzimmer führenden Tür drang ein schmaler Lichtstreif hervor.
Er blieb stehen und war sich der unheimlichen Stille bewußt - nur irgendwo in der Ferne grollte drohend ein Donner. Lomax öffnete die Tür und trat sofort ins Wohnzimmer.
Im Kamin prasselte ein Feuer, eine Lampe stand auf dem Tisch mitten im Zimmer; ihr gelber Schein trieb die Schatten in ihre Winkel zurück.
Und dann bemerkte er die Flasche, die auf dem Schaffellteppich lag, offenbar dorthin gefallen. Roter Wein ergoß sich über den Boden wie Blut, strebte den Beinen zu, die aus dem Dunkel hinter einem der großen Ohrensessel neben dem Feuer ragten.
Dimitri Paros starrte zur Decke empor, die Augen für alle Ewigkeit auf einen festen Punkt gerichtet, ein halbes Lächeln wie erfroren um die Lippen. Der Horngriff eines Messers stand unter seinem Kinn hervor, die lange Schneide war durch den Gaumen ins Gehirn gedrungen.
Seine eine Hand umklammerte noch immer ein Weinglas, dessen Inhalt neben ihm auf dem Boden verschüttet war. Lomax schob die Beretta ins Gurtband zurück und kniete neben dem Toten nieder.
Als er das bleiche Gesicht mit einem Handrücken berührte, stellte er fest, daß es noch warm war. Er konnte nur eben erst umgekommen sein, so viel war offensichtlich, und Lomax seufzte und wollte sich aufrichten. Ein leichter Windhauch berührte seinen Nacken, und die Tür knarrte. Eine vertraute Stimme sagte: »Bitte stehen Sie ganz still.«
Alexias Pavlo trat ins Zimmer, schwer auf seinen Stock gestützt, eine Mauser fest mit der anderen Hand umklammert. Er zog die Beretta aus Lomax' Gurtband, ließ sie in seine Tasche gleiten und blickte dann auf Dimitri hinab.
Als er Lomax wieder ansah, war sein Gesicht düster vor Rachedurst und zugleich starr wie aus Stein gehauen.
»Nun will ich Sie hängen sehen, Captain Lomax«, sagte er.
15. Aussicht auf den Galgen
Die Zelle war klein und kahl, die Wände weiß gekalkt und das Ganze von einer einzigen Birne erhellt. Es gab ein kleines, vergittertes Fenster, ein Waschbecken und das Feldbett, auf dem er lag.
Die Tür war mit Eisenbändern verstärkt, und durch ein winziges, vergittertes Loch hatte man begrenzte Aussicht auf den Korridor draußen. Aus Richtung des Büros konnte er Stimmengemurmel hören.
Er wickelte sich in eine Decke, um gegen die Kälte anzukämpfen, die durch die feuchte Kleidung drang, und rauchte eine der Zigaretten, die Kytros ihm gegeben hatte.
Durch das Fenstergitter konnte er den blauschwarzen Nachthimmel und ein paar verstreute Sterne sehen. In der Ferne rumpelte erneut der Donner. Lomax stand auf und ging zum Fenster. Weit draußen am Horizont über der See zuckte ein Blitz.
Auf dem Korridor waren Schritte zu hören. Als er sich umdrehte, schloß soeben Stavrou, der Wärter, ein großer, massiger Mann in zerknitterter Khakiuniform, die Tür auf.
Lomax warf die Decke aufs Bett und trat in den Korridor hinaus. »Was jetzt?«
»Der Sergeant hat ein Wort mit Vater John gesprochen«, sagte Stavrou. »Der alte Mann möchte mit Ihnen reden, bevor er geht.«
Das Büro war düster, seine einzige Beleuchtung bestand aus der Lampe mit dem grünen Schirm, die auf dem Schreibtisch stand. Vater John saß daneben, die eine Hand an der Stirn, während Kytros am Fenster stand. Als Lomax auf der Schwelle stehenblieb, wandte der alte Mann ihm mit einem Ruck das Gesicht zu.
Für einen langen Augenblick herrschte Schweigen zwischen ihnen, dann erhob sich der Priester. »Gibt es irgend etwas, das ich für Sie tun kann?«
»Ich glaube kaum«, erwiderte Lomax.
»Sergeant Kytros hat mir erzählt, daß Sie in dieser Sache Alexias Pavlo beschuldigen«, sagte der Priester ruhig.
»Und Sie halten ihn vermutlich dessen nicht für fähig?« sagte Lomax.
»Zu töten?« Vater John zuckte die Schultern. »Der Teufel ist in jedem von uns. Aber heute abend war Alexias Pavlo da, wo er seit Jahren an jedem Donnerstag abend ist. Er hat bis neun Uhr dreißig in meinem Haus mit mir Schach gespielt.«
»Damit hätte er noch immer ausreichend Zeit gehabt«,
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