Im Schatten des Verraeters
beharrte Lomax eigensinnig.
Der alte Mann schüttelte den Kopf. »Das glaube ich kaum.«
In diesem Augenblick knallte ein Stein gegen die Jalousien, welche das Fenster bedeckten. »Sie fangen an, unangenehm zu werden«, bemerkte Kytros.
Vater John und Lomax traten neben ihn. Durch die schmalen Latten der Jalousie konnte Lomax zwanzig bis dreißig Leute in kleinen Gruppen draußen stehen sehen; manche redeten miteinander, andere blickten nur auf die Polizeistation.
»Was wollen sie?« fragte er.
»Ihren Kopf vermutlich«, erwiderte Kytros gelassen.
»Es wird lange dauern, bis die Insel das verkraftet hat, was heute nacht geschehen ist«, sagte Vater John und zog seinen Umhang über die Schultern.
»Und natürlich ist alles meine Schuld?« sagte Lomax.
»Es ist schwierig, mit Sicherheit zu sagen, wer für alles, was im Leben geschieht, die Verantwortung trägt«, antwortete der alte Mann. »Nur weiß ich mit Gewißheit, daß zwei Männer tot sind. Sie hätten mit dem Schiff wegfahren sollen, Mr. Lomax. - Ich sehe jetzt, daß wir Sie zur Abfahrt hätten zwingen sollen.«
Lomax setzte sich und nahm sich eine Zigarette aus einem Päckchen, das auf dem Schreibtisch lag. »Das wäre verdammt bequem für Sie alle hier gewesen, Vater. Sie hätten weiterhin so tun können, als ob mich die Schuld träfe. Daß der Verantwortliche für so viel Böses keiner von euren eigenen Leuten sei.«
Der alte Mann sah ihn an, seine Stirn war vor Verwunderung leicht gerunzelt. Es sah so aus, als wollte er etwas sagen, schien sich dann jedoch eines Besseren zu besinnen.
Er wandte sich an Kytros. »Ich muß jetzt gehen. Ich will noch die Eltern von Nikita Samos besuchen.«
»Danke, daß Sie gekommen sind, Vater«, sagte Kytros.
»Ich werde die Leute draußen anweisen heimzugehen«, fuhr der Priester fort. »Wenn Sie mich später noch brauche n, scheuen Sie sich nicht, mich zu holen.«
Er wandte sich noch einmal Lomax zu, zögerte und ging dann zur Tür. Als sie sich hinter ihm geschlossen hatte, trat Kytros ans Fenster. Nach einer Weile gab er ein befriedigtes Brummen von sich, »Gehen sie?« fragte Lomax.
»Für den Augenblick ja, aber sie werden zurückkommen.«
Stavrou beschäftigte sich an einem Tisch, der halb im Dunkel stand; ein Topf mit irgend etwas Brodelndem stand dort auf einem kleinen Spirituskocher. Er füllte zwei Tassen und brachte sie zum Schreibtisch. Lomax atmete tief den Duft guten Kaffees ein. Er war kochend heiß und erfüllte ihn mit neuer Lebenskraft. Er seufzte vor Behagen und zündete sich eine weitere Zigarette an.
Kytros setzte sich auf die andere Seite des Schreibtisches. Er steckte eine türkische Zigarette in eine einfache Silberspitze und zündete sie an. Dann lehnte er sich zurück, so daß er sich am Rand des Lichtkreises befand, sein Gesicht war im Halbdunkel.
»Eines verblüfft mich«, sagte er. »Dimitri Paros schätzte es, bei fast allen Dingen im Brennpunkt des Geschehens zu sein. Und trotzdem verzichtete er freiwillig auf das Vergnügen, einen Mann zu töten, den er haßte. Ich frage mich, warum?«
»Er sagte, er hätte andere Geschäfte zu erledigen.«
»Die müssen sehr wichtig gewesen sein.« Er öffnete eine Schublade und nahm die Beretta und das Messer heraus, mit dem Dimitri umgebracht worden war. Es war ein ganz gewöhnliches Ding, der Griff aus schwarzem Horn, mit Messing eingefaßt und leicht gebogen. Als er mit dem Daumen auf den Knopf drückte, sprang wie durch Zauberei die rund zwanzig Zentimeter lange Klinge heraus.
Kytros schob sie wieder zurück und zog die Brauen zusammen. »Eine ziemlich ungewöhnliche Methode, einen Menschen zu erstechen, finden Sie nicht auch?«
»Ein alter Kommandotrick«, sagte Lomax. »Hier, ich zeige es Ihnen.«
Er stand auf, nahm das Messer und hielt es in der rechten Hand verborgen leicht gegen seinen Schenkel gedrückt. Dann fuhr sein Arm plötzlich hoch, die Klinge sprang heraus wie die Zunge einer Schlange. Er ließ es, die Spitze voraus, auf den Schreibtisch fallen und setzte sich wieder.
»Es ist eine praktische Methode, einen Mann von vorne aus nächster Nähe zu töten. Der Tod tritt sofort ein, weil die Klinge das Gehirn durchbohrt.«
»Und auf diese Weise wurde Dimitri Paros umgebracht?«
»Davon bin ich überzeugt. Auf seinem Gesicht lag noch ein Lächeln. Er wurde von jemand getötet, den er gut kannte, und ich möchte darauf hinweisen, daß er mich wohl
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