Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
"Wirklich lecker!", sagte sie, tat ebenso nüchtern wie unbeeindruckt, nahm beide Hälften entgegen, biss kräftig in die eine hinein und schlenderte aus dem Raum.
Eine Miss Crichton verlangte auf die gleiche Weise eine Aprikose kosten zu dürfen, aber Kirby lachte, reichte Tuch und Messer weiter und überließ es anderen, diesem Wunsch nachzukommen.
Hazel ging durch einen Flur, bog um die Ecke – und stand überraschend vor Lord John.
"Hayward!", sagte sie unangenehm berührt und hoffte inbrünstig, ihr Gesicht möge inzwischen wieder eine unauffällige Färbung angenommen haben.
Er hob die Hände. "Ich schwöre Ihnen, dass ich wirklich nicht wusste, dass Sie kommen würden", erwiderte er.
"Das konnten Sie auch gar nicht. Ich war nämlich überhaupt nicht eingeladen", gestand Hazel und mit schiefem Grinsen: "Bloß Cecily und Jeremy."
Über Haywards Gesicht huschte ein amüsiertes Lächeln.
Verwundert nahm Hazel zur Kenntnis, dass auf dieser Gesellschaft ausgerechnet ihr ärgster Widersacher der einzige war, mit dem sie das Vergnügen eines gemeinsamen Geheimnisses teilen konnte.
Hayward war indessen nicht entgangen, dass Hazels Wangenfarbe denselben Ton hatte wie das rötlich überhauchte Fruchtfleisch der Pfirsichhälfte, das sie verlegen in der Hand hielt. Aber er nahm noch etwas anderes wahr: einen zarten, unaufdringlichen Duft.
"Wie ich feststellen kann, ist mein Geschenk doch bei Ihnen angekommen", sagte er leise. "Das freut mich. Wie gut, dass umgekehrt auch Sie offensichtlich nicht wussten, dass ich hier sein würde, denn ansonsten hätten Sie womöglich das Parfüm gar nicht aufgetragen", mutmaßte er, "und das wäre schade gewesen. Ich dachte mir gleich, dass es an Ihnen wunderbar riechen würde." Er nickte ihr leicht zu und ging einfach weiter.
Hazel starrte ihm überrascht nach.
Diese neue Strategie, sie einfach stehen zu lassen, sollte sie eigentlich mit Erleichterung erfüllen, befand Hazel erbost.
Sie stand auf einer Galerie und hatte von dort aus Gelegenheit, in den Saal hinabzuschauen. Ihre Augen suchten Jeremy und entdeckten ihn auch sogleich als Zentrum einer Horde von Gästen, teils kichernden (das waren die Damen) und teil schwadronierenden (das waren die Herren).
Hazel seufzte innerlich auf und wappnete sich, um sich notgedrungen dieser Horde anzuschließen, doch kaum noch hatte sie diesen Entschluss gefasst, als sie merkte, dass der Marquis dicht hinter sie getreten war. Und eben, als Hazel den Kopf wandte, flüsterte er: "Ich muss gestehen, Ihre sinnliche Hingabe beim Genuss dieses Pfirsichs hat mich nicht unberührt gelassen."
Hazel zuckte zusammen, starrte erschrocken vor sich hin und versuchte, das unruhige Klopfen ihres Herzens zu überhören.
"Es war ... ziemlich erregend", raunte er, "so dass in mir der Wunsch entstanden ist, Ihre Lippen mögen meine Finger berühren und Ihre Zunge möge über meine bloße Haut fahren und den süßen Saft direkt von meiner Hand empfangen." Er wandte sich mit einem tiefen Blick unter seinen langen Wimpern hervor von ihr ab und verschwand.
Hazel blieb mit wild pochendem Herzen zurück.
Es war Jeremy, der sie von unten auf der Galerie gesehen hatte und zu ihr nach oben kam. "Mary Burchington hat mich vorhin gefragt, ob ich mit ihr zum Geburtstag ihrer besten Freundin gehen möchte. Ihre Mutter weiß Bescheid. Ich glaube, es sind von den Gästen hier eine Handvoll Leute bei ihr eingeladen und es ist ausgemacht, dass sie alle etwas früher gehen. Es wird bestimmt lustig, was meinst du?"
Hazel hatte inzwischen allen Grund, sich von Lady Burchingtons Gesellschaft wegzuwünschen. "Von mir aus", stimmte sie zu. "Aber lass uns erst etwas essen."
Das Büfett war eröffnet und bestätigte die Einschätzung, die der Marquis Hazel vorhin gegeben hatte. Da auch die übrigen Bemerkungen überraschend genau zutrafen, war Hazel eigentlich recht erleichtert, die Gesellschaft wechseln zu können.
Erst als sie an ihrem Ziel aus der ersten von drei Kutschen kletterte, mit denen man gefahren war, bemerkte sie, dass in der hintersten auch der Marquis of Wainwright dabei war, oder vielmehr, dass es vermutlich sogar seine eigene Kutsche war, wie die Art, mit dem Kutscher zu reden, vermuten ließ.
Die Geburtstagsgesellschaft fand gar nicht, wie Hazel angenommen hatte, in einem Privathaus statt, sondern man traf sich in einem Lokal, um von dort aus, nachdem alle eingetroffen waren, mit einigen Kutschen zum Harper‘s zu fahren.
Das Harper‘s war eine
Weitere Kostenlose Bücher