Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
sie nicht bemerkt, wandte den Kopf und ging in eine andere Richtung zu einem Spieltisch, an dem man mit Karten spielte. Vielleicht, dachte Hazel, war es ihm unangenehm, an einem solchen Ort erkannt worden zu sein.
Schon eine Viertelstunde später zeichnete sich ab, dass der Marquis die Lage richtig eingeschätzt hatte. Sie konnten ihm seine Pfundnote zurückgeben und nachdem sie mit den anderen zusammengelegt hatten, stellte sich heraus, dass die meisten verloren hatten (vor allem jener junge Mann, der sich einbildete, er könne mit Karten umgehen) und außer Hazel und Jeremy nur noch das hübsche Mädchen einiges gewonnen hatte. Nachdem den Verlierern ihr Einsatz erstattet worden war, blieb unterm Strich noch einiges übrig, so dass sie weiter ins Windroof fuhren – allerdings nur noch mit zwei Kutschen, denn zwei Mädchen und ihr Begleiter meinten, sie würden zu Hause erwartet und könnten nicht länger bleiben.
Im Windroof war von den anderen, die ins Cimarron gegangen waren, nichts zu sehen. Man bestellte also schon mal eine Runde Champagner und amüsierte sich ohne sie. Dass dieses Lokal noch zwielichtiger war als das Harper’s , war nicht zu übersehen. Als nach einer halben Stunde die anderen immer noch nicht aufgetaucht waren, meinte Mary Burchington schließlich, sie wolle lieber ins Sailor’s End , und da Hazel und Jeremy mit ihr in der Kutsche gefahren waren, gingen sie mit.
Im Sailor’s End war es laut, voll und nur – fand Hazel – mit einer ordentlichen Menge Alkohol zu ertragen. Da sie selbst kaum etwas getrunken hatte, um den ansonsten unausbleiblichen Stuhlgang zu vermeiden, war sie einigermaßen nüchtern und daher von allem wenig angetan. Immerhin entdeckten die Mädchen noch einige Bekannte, und da es mittlerweile spät geworden war, teilte Mary Burchington Hazel irgendwann mit, sie werde Cecily und die anderen jetzt nach Hause bringen. Hazel ließ Jeremy und den Mädchen natürlich den Vortritt, so dass die Kutsche voll war und Mary meinte, Mr. Hawthorne könne ja mit den Herren in der Kutsche des Marquis fahren. Hazel wusste im Moment nicht, was sie darauf sagen sollte - schon fuhr die Kutsche mit Jeremy davon. Also stieg Hazel zum Marquis ein, zum Glück war noch ein anderer junger Mann dabei, eben jener Unglücksrabe, der im Spiel verloren hatte. Kaum war die Kutsche angefahren, meinte der Marquis, jetzt seien die Frauenzimmer ja fort, jetzt könnten sie ja noch etwas Kühneres unternehmen, der junge Mann stimmte dem natürlich zu, Hazels Einwände wurden hinweggefegt - ehe sie sich’s versah, war Hazel mit dem Marquis und dem anderen jungen Mann durch das dunkle London unterwegs zu einem unbekannten Ziel.
Waren die anderen Lokalitäten schon fragwürdig gewesen, so war die Kneipe, in der sie schließlich landeten, an Zwielichtigkeit kaum noch zu überbieten. Zwischen durchaus nobel aussehenden Herren bewegten sich einige üble Gestalten, und die wenigen Frauen, die es dort gab, waren schrill geschminkt und saßen zumeist auf dem Schoß eines Mannes.
Sie gingen in ein separates Zimmer, in dem die Luft zwar kaum besser, aber das Klientel nicht ganz so wüst war, Hazel wurde zu einem Rotwein genötigt, man setzte sich an einen runden Tisch, jemand packte Karten, Schnupftabak und Zigarillos aus, mit Gejohle und viel Hallo begrüßten sich einige der Herren – bei dieser Aktion ging ihnen dann auch noch der junge Mann aus der Kutsche verloren.
Nicht erst jetzt begann es Hazel, unbehaglich zu werden. Immerhin weigerte sie sich standhaft, selbst zu spielen, spielte den Kiebitz und stand nach der ersten Runde auf, um durch die Hintertür nach draußen zu schlendern. In der kühlen Nachtluft atmete sie erst einmal tief ein, nur um dann mit Schrecken festzustellen, dass sie irgendwo am Rand von London angekommen sein mussten, denn in der Umgebung war es so dunkel, wie es wegen der vielen Lichter in der Innenstadt um diese Uhrzeit niemals war.
Im Schutz der Dunkelheit konnte sie sich endlich erleichtern, aber das war auch die einzige Erleichterung, die sie erfahren durfte.
Was sollte sie tun? Zu Fuß nach Hause gehen? Das war unmöglich. Sie wusste überhaupt nicht, wo sie war, und ganz ohne Fackelträger durch die stockdunklen Straßen – das konnte selbst ein Mr. Hawthorne nicht mehr wagen. Eine Droschke? Sie hatte kein Geld für eine Droschke dabei, überhaupt waren sie schon wer weiß wie weit weg und der Rückweg würde sicher eine Menge Geld kosten. Egal, das ging nicht anders,
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