Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
ignorierte ihre Hand und meinte: "Ich bringe Sie natürlich heim."
"Nein, das ist nicht nötig. Ich geh zu Fuß!"
"Ich habe den Wagen schon bestellt, er wird jede Sekunde vorfahren."
Sie zog unwillig die Augenbrauen zusammen. So machte er es immer, fällte Entscheidungen, ohne sie zu fragen, stellte sie als etwas hin, das ihr ja zugute käme, und überging einfach ihre Wünsche ...
"Danke", sagte sie widerwillig. Ein heimlicher Blick nach oben bewies ihr, dass Lord James sich in sein Zimmer zurückgezogen hatte. Sie atmete auf.
Hayward musterte sie nachdenklich. "Haben Sie geweint?", fragte er leise.
"Ja", erwiderte sie trotzig.
"Warum?"
"Gott, Hayward, wie ich Sie hasse!", brach es aus ihr heraus, "Sie haben mich vorgeführt wie einen Affen! Und ich war der Tollpatsch, den alle deswegen ganz niedlich fanden. Ihnen hat das alles ja vermutlich ein diabolisches Vergnügen bereitet. Aber eins schwöre ich Ihnen: ich werde nie nie nie niemals wieder hierher kommen!"
"Das sollte mir Leid tun", meinte er.
Der Diener meldete den Wagen.
Sie gingen hinaus auf die Straße. Hayward klopfte dem Kutscher, der den Wagen vorgefahren hatte, auf die Schulter und sagte: "Ich fahre selbst!"
Hazel stieg auf.
Schweigend fuhren sie durch die Straßen.
Nach der vierten Abzweigung sagte Hazel: "Es tut mir leid. Ich war eben wohl ziemlich ungerecht."
"Fanden Sie es wirklich so schlimm?", fragte er.
"Ja, wirklich. Schon am Anfang gleich diese dumme Sache mit dem Ring ..."
"Ach, das ist mir auch schon passiert. Dieser Ring ist bestialisch. Und Mutter zieht immer schon ihre Hand zurück, wenn man noch darüber gebeugt ist. Einmal hat sie mir quer über die ganze Wange gekratzt. Es sah aus, als hätte ich mich mit jemandem duelliert."
Hazel lächelte schwach.
"Was war noch so furchtbar?"
"Ihre Mutter. Sie hasst mich!"
Er blickte sie prüfend an. "Sie hat mich aus dem Raum geschickt, damit sie mit Ihnen allein reden kann, oder?"
Hazel nickte.
"Das habe ich befürchtet. Was hat sie gesagt?"
"Ach – nichts."
Er wartete, aber da sie nichts weiter sagte, erkundigte er sich: "Und Catherine? Wie fanden Sie Catherine?"
"Sie ist wirklich ganz nett", gab Hazel zögernd zu.
"Über Isabella waren wir uns ja einig. Und James? Fanden Sie den auch Furcht erregend?"
"Nein, überhaupt nicht. Er ist unbedingt sympathisch - ein wirklich wundervoller Mann." Die Erinnerung gaukelte ihr eine sanfte Berührung auf ihren Lippen vor. Sie seufzte. "Schade nur, dass er für die Damenwelt verloren ist."
Hayward hielt die Luft an. "Wie meinen Sie das?", fragte er.
Hazel schaute ihn überrascht an. "Jetzt sagen Sie bloß, Sie wissen es wirklich nicht..."
"Was?", erkundigte Hayward sich mit lauerndem Unterton.
"Dass Ihr Bruder stockschwul ist, natürlich."
Hayward blickte angelegentlich auf die Straße.
"Stimmt’s etwa nicht?", fragte sie.
Sie bogen in die Jermyn-Street ein.
Er atmete tief ein. "Hazel", sagte er, "es ist mir ein Rätsel, wie es Ihnen gelungen ist, innerhalb von Minuten eins unserer bestgehüteten Familiengeheimnisse herauszufinden. – Ja, es stimmt, aber ich flehe Sie an: verraten Sie es um Gottes Willen nicht meiner Mutter!" Er hielt den Wagen vor ihrer Haustür an.
Hazel griente. "Machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Sie weiß es längst – und sie hat höllische Angst, dass Sie in die Fußstapfen Ihres Bruders treten."
Hayward blickte Hazel unruhig an.
"Also das war es, was sie mit Ihnen unter vier Augen besprochen hat."
Hazel senkte den Blick. "Sie hat mir offen gedroht für den Fall, dass ich Ihre Hochzeit platzen lasse", sagte sie.
"Oh", sagte Hayward, einen Moment betroffen, "das ist allerdings starker Tobak." Dann griente er. "Wie gut, dass Sie in Wahrheit ja gar nicht Matthew Hawthorne sind. Wir lassen einfach etwas Gras über die Sache wachsen und beim nächsten Mal ..."
"Vergessen Sie’s!", knurrte Hazel und sprang vom Wagen ab. "Es wird kein nächstes Mal geben. Außerdem hat sie mir das Haus verboten. Und wenn Sie gleich heimkommen, wird Ihre Mutter Sie mit Sicherheit auch streng ins Gebet nehmen."
Hayward kratzte sich hinterm Ohr. "Nicht, dass ich Angst davor hätte ...", meinte er, kletterte ebenfalls vom Wagen und folgte Hazel die Stufen zum Haus hinauf.
Sie zog die Klingelschnur.
"Warum haben Sie nie gesagt, dass Sie verlobt sind?", fragte sie, während sie warteten, dass Jefferson öffnete.
Er zuckte betreten mit den Achseln. "Irgendwie hat sich nie die Gelegenheit dazu ergeben", meinte
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