Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
einziehen."
Mrs. Hawthorne schaute ihre Tochter ungläubig an.
"Und was will er dafür?"
"Er möchte, dass ich mich für ihn malen lasse."
Mrs. Hawthorne lachte rauh auf. "Das kann doch unmöglich alles sein!"
"Für den Anfang schon", erklärte Hazel nüchtern.
"Für den Anfang!", wiederholte Mrs. Hawthorne verächtlich. "Es ist doch klar, worauf das Ganze abzielt! Erst will er das Bild, dann will er mehr. Und wenn er dich erst entehrt hat ..."
Zornig sprang Hazel auf. "Aber Mama", brach es aus ihr mit ungeahnter Bitterkeit hervor, "von welcher Ehre redest du denn? Von der Ehre einer Tochter, deren Vater als Hochverräter hingerichtet werden sollte? Ich habe keine Ehre mehr! Das weißt du genau."
Ihre Mutter starrte sie an.
"Er wird mich niemals heiraten, das ist mir auch klar. Aber er ist sehr großzügig. Er wird mich mit Geschenken überhäufen. Er zahlt mir eine Apanage, von der ich euch leicht nebenher mitfinanzieren kann. Ich habe eine eigene Wohnung mit Dienstboten. Ich werde dort als Mrs. Shandelton leben. Niemand wird wissen, wer ich in Wirklichkeit bin. Wenn diese Adresse hier verraten ist, könnt ihr euch dort verstecken. Mama! Eine solche Gelegenheit können wir nicht einfach auslassen!"
"Aber Kind!", seufzte Mrs. Hawthorne mit feuchten Augen.
"Ich bin kein Kind mehr, Mama!", erwidert Hazel scharf.
"Aber ich kann nicht zulassen, dass du dich für uns alle opferst!"
Hazel wandte sich um. "Ich habe niemals gesagt, dass ich mich opfere", erwiderte sie ruhig.
Mrs. Hawthorne trocknete ihre Tränen. "Wie meinst du das?"
"Ich liebe ihn", sagte Hazel.
Die Nacht war klar.
Der Mond schien mit seinem vollen Lichte auf die Dächer von London. So manches Sternbild leuchtete vom Himmel herab.
Während die Straßen und Gassen auch zu dieser Nachtzeit nicht gänzlich leer und ruhig waren, lag die Herzogin von Richmond wach in ihrem Bett. Noch immer brannte ihr Herz vor Empörung über diesen frechen Emporkömmling Matthew Hawthorne und ließ sie keine Ruhe finden. Und doch: dass er ihr die Hand geküsst hatte, mit diesem kecken Zungenkuss, das war – wie sie selbst erstaunt feststellen musste - nicht eigentlich widerwärtig gewesen ... eher unerwartet und erschreckend, weil seine Zunge so sehr viel heißer gewesen war als ihre Hand. Und während ihr Moralgefühl diese unverschämte Geste verdammte, verdammen musste, so erkannte die Frau in ihr diese schamlose Geste als einen frivolen Akt, der immerhin voraussetzte, dass dieser junge Mann sie trotz ihres Alters nicht als würdige Dame oder Matrone, sondern als Weib betrachtete, seinen Worten nach als Herrin und Gebieterin, die über ihn verfügen durfte - das war ein Gedanke, der sie insgeheim erregte und eine Saite in ihr zum Schwingen brachte, die sie selbst für längst verdorrt und vertrocknet gehalten hatte. Und während ihr Gatte neben ihr schon längst schlief, sah sie in ihrer Erinnerung wieder, wie Matthew sich über ihre Hand neigte, fühlte, wie er ihr Handgelenk hart gepackt hielt, so dass sie ihm nicht ausweichen konnte, und spürte die Hitze seiner Lippen und seine feuchte Zunge, wie sie sich warm in den Spalt zwischen ihren Fingern drängte.
Zur selben Stunde saß Lady Burchington, zur Nacht gekleidet, auf der Kante ihres Bettes und während ihr Pantöffelchen vom Fuß glitt, trat das Bild von Matthew Hawthorne vor ihr geistiges Auge, wie er vor ihr kniete, von ihren nackten Füßen sprach und ihren Schuh von ihr forderte. Und da sie das Gefühl, wie ihr Schuh ihr damals den Fuß hinabgerutscht war, nicht mehr nachempfinden konnte, zog sie ihr Pantöffelchen wieder an, nur um es gleich wieder von ihrem Fuß gleiten zu lassen, nur langsamer diesmal, und das gleiche erregende Gefühl zu verspüren, wie an dem Abend, als dieser aufregende junge Mann mit diesen irritierend grünen Augen bewundernd zu ihr aufgesehen hatte und in ihr das Gefühl entfacht hatte, sie sei wieder jung und begehrenswert. Sie meinte, seinen Kuss noch auf ihren Lippen brennen zu spüren, und hörte sein erschrockenes: "Das dürfen wir nicht!"
Dass er ihr entsagte, besorgt um ihren Ruf als verheiratete Frau, erfüllte sie mit einem romantischen und zärtlichen Gefühl der Bewunderung für seine tugendhaften Grundsätze, nicht ohne im selben Zug aufseufzend zu bedauern, dass er so sittsam und anständig war. Ob es ihr gelänge, ihn dennoch zu verführen?
Sie wusste, sie würde jetzt ohnehin keinen Schlaf finden, daher stand sie auf und ging zu ihrem
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