Im Schatten dunkler Mächte
verliefen die Rituale nicht mehr wie erwartet. In den vorgegebenen Nächten, in denen die Keltar ihren Zauber anwenden sollten, hatte eine andere, eine schwarze Magie verhindert, dass der Schwur verstärkt und die Schuld voll beglichen wurde. Obwohl die andere Magie nicht imstande gewesen war, die Mauern zwischen den Welten einstürzen zu lassen, wurden sie beträchtlich geschwächt. Christians Onkel glaubten, dass die Mauern ein weiteres unvollständiges Ritual nicht mehr überstehen würden. Die Königin der Seelie, Aoibheal, die in der Vergangenheit in Krisenzeiten immer erschienen war, hatte sich nicht blicken lassen, obwohl die Keltar sie mit jedem Zauberspruch, den sie kannten, angerufen hatten.
Ich war gebannt von der Geschichte. Der Gedanke, dass seit Tausenden von Jahren ein Clan in denschottischen Highlands die Menschheit vor den Feenwesen beschützt hatte, faszinierte mich. Insbesondere wenn die anderen Keltar so wie Christian waren: schön, sexy, selbstbeherrscht. Tröstlich zu wissen, dass es andere Blutlinien da drauÃen in der Welt gab, die ungewöhnliche Fähigkeiten vererbten. Ich verstand also nicht allein, was mit unserer Welt geschah. Ich hatte noch jemanden â abgesehen von Barrons â gefunden, der mehr wusste als ich und bereit war, die Informationen mit mir zu teilen.
»Meine Onkel glauben, dass der Königin etwas zugestoÃen ist«, sagte Christian. »Dass sich ihre Macht gemindert hat und die eines anderen angewachsen ist. Die Mauern werden immer bröckeliger, und wenn uns bis zum nächsten Ritual nichts einfällt, werden sie ganz einstürzen.«
»Und was geschieht dann?«, fragte ich im Flüsterton. »Wird der Pakt gebrochen?«
»Meine Onkel denken, er ist bereits gebrochen, und die Mauern halten nur wegen der Opfer, die sie in immer gröÃerem Ausmaà bringen. Feenmagie ist eine seltsame Sache.« Er schwieg kurz und fügte gepresst hinzu: »Für die letzten Rituale brauchten wir Blut, Keltar-Blut, für das heidnische Ritual. Das hat es noch nie gegeben. Nie zuvor haben wir Blut benutzt. Onkel Cian weiÃ, wie man das macht. Es war schmutzige Magie. Das habe ich gespürt. Was wir getan haben, war falsch, aber es war das Einzige, was wir tun konnten.«
Das konnte ich nachvollziehen. Was ich mit Jayne gemacht hatte, würde mein Gewissen immer belasten, aber mir war keine Alternative eingefallen. Ich hatte keine schmutzige Magie angewendet, nur schmutzige Sandwichs zubereitet. Manipulativ. Skrupellos. Aberallmählich begriff ich, dass man es sich nur leisten konnte, nett zu sein, wenn nicht viel auf dem Spiel stand. »Und wenn die Mauern komplett einstürzen?«, wiederholte ich meine Frage von vorhin. Ich wollte wissen, wie schlimm es werden konnte.
»Wenn früher Feenwesen in unseren Bereich kamen, waren es nur Seelie. Die Unseelie waren bereits so lange eingekerkert, dass nur noch Legenden von ihnen übrig waren, die man sich flüsternd erzählte. Wenn nun die Mauern ganz einfallen, sind alle Unseelie frei, nicht nur die niedrigen Kasten, die jetzt schon irgendwie entfliehen können. Die Mächtigsten aus den königlichen Häusern der Unseelie werden entkommen.« Er machte eine Pause, und als er erneut anfing zu sprechen, war seine Stimme leise und eindringlich. »Die Legende setzt die Anführer dieser vier Häuser, die Dunklen Prinzen, mit den vier Apokalyptischen Reitern gleich.«
Ich wusste, wer sie waren: Tod, Pest, Krieg und Hunger. Die Unseelie, die ich bis jetzt zu Gesicht bekommen hatte, waren schon schlimm genug. Ich verspürte nicht den leisesten Wunsch, mit den königlichen Unseelie Bekanntschaft zu machen.
»Es wird furchtbar, Mac. Sie werden unsere Welt in einen Alptraum verwandeln. Meine Onkel glauben, die Seelie könnten nicht mehr in der Lage sein, die Unseelie einzufangen, wenn sie einmal entkommen sind.«
Waren deshalb alle hinter dem Sinsar Dubh her? Enthielt es die Zaubersprüche, die man brauchte, um die Unseelie einzusperren und die Mauern am Einstürzen zu hindern? Das würde jedenfalls erklären, warum Vâlane und die Königin das Buch an sich bringen wollten, warum Alina den Wunsch gehabt hatte, dass ich es finde, ehe es der Lord Master tat. Bekäme er es in dieHände, dann würde er es ganz bestimmt so schnell wie möglich zerstören, um sicherzustellen, dass niemand seine Armee in den Kerker
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