Im Schatten dunkler Mächte
Nicht-Sidhe-Seherinnen würden nur die menschliche Hülle sehen, die sie sich geschaffenhatten: einen noch halbverschlafenen Angestellten der Stadt. Aber ich konnte ihre stummeligen grauen Glieder, die stechenden Knopfaugen und vorgeschobenen Unterkiefer so gut erkennen wie meinen Handrücken. Ich wusste, dass dies die Wachhunde der höhergestellten Feenwesen waren. Aus diesem Grunde verstand ich nicht, wieso sie die Drecksarbeit für die Menschen verrichteten. Bisher hatte sich, soweit ich es beobachten konnte, noch kein Feenwesen, ob Seelie oder Unseelie, dazu herabgelassen. Die vielen Unseelie niederer Kasten scheuerten an meinen Sidhe- Seher - Sinnen. Gewöhnlich störten mich Rhino-Boys nicht so sehr, aber in einer solchen Masse vermittelten sie mir das Gefühl, das in meiner Vorstellung ein an Magengeschwüren Leidender empfinden musste. Ich suchte in meinem Kopf und fragte mich, ob ich dieses ungute Gefühl irgendwie dämpfen konnte.
Ja, das war besser! Ich konnte die »Lautstärke herunterdrehen«. Sehr cool.
Dani lehnte unbekümmert an einer StraÃenlaterne vor der Kirche und stützte das Rad mit ihrer Hüfte ab. Sie hatte eine mächtige Beule an der Stirn; die Unterarme waren an den Innenseiten aufgeschürft und schmutzig, und ihre gestreifte Hose war an den Knien aufgerissen, als wäre sie auf allen vieren über ein Dach gerutscht, was sie â wie sie mir erzählte â tatsächlich getan hatte. Am liebsten hätte ich sie mit in den Buchladen genommen, um sie zu säubern und ihre Wunden zu verarzten, aber ich schlug mir das aus dem Kopf, auch wenn mir das Herz blutete. Wenn wir jemals gezwungen waren, Seite an Seite zu kämpfen, musste ich ihr zutrauen, mit solchen und schlimmeren Verletzungen fertig zu werden.
Dani drückte mir mit einem groÃspurigen Grinsen meine Kamera in die Hand. »Los, sag mir, was für einen tollen Job ich gemacht hab.«
Ich hatte den Verdacht, dass sie nicht oft ein Lob zu hören bekam. Rowena schien nicht zu der Sorte zu gehören, die viel Aufhebens um eine gelungene Arbeit machte, dafür aber kritisierte sie sicherlich alle Fehler ausgiebig. Ebenso bezweifelte ich, dass Dani viel Zuwendung von den anderen Sidhe -Seherinnen bekam. Ihre Kratzbürstigkeit machte es schwer, sie in den Arm zu nehmen, und ihre Mitstreiterinnen hatten genügend eigene Sorgen. Ich nahm die Kamera und zappte die mageren sieben Aufnahmen von dem falschen Buch durch und sagte. »Gut gemacht, Dani.«
Sie plusterte sich ein bisschen auf vor Stolz, dann sprang sie auf ihr Rad und strampelte mit ihren dürren Beinen davon. Ich fragte mich, ob sie jemals ihre übernatürliche Schnelligkeit auf dem Rad einsetzte und, wenn ja, ob man dann nur einen grünen Blitz an sich vorbeizischen sah. Kermit der Frosch auf Stereoiden? »Bis später, Mac«, rief sie über die Schulter. »Ich ruf dich bald an.«
Ich machte mich auf den Rückweg, um erst in einen Drugstore und anschlieÃend in den Buchladen zu gehen. Mittlerweile war es hell genug, dass ich die Taschenlampen wegstecken konnte. Dann betrachtete ich die Fotos in meiner Kamera und zoomte sie nahe heran, um zu ergründen, was mir Dani gebracht hatte.
Ich war klug genug, nicht mit gesenktem Kopf durch die Gegend zu laufen. Ich traute mich nicht mal, bei Regen einen Schirm aufzuspannen, weil ich fürchtete, in irgendetwas hineinzurennen.
Als ich gegen die Schulter eines Mannes, der nebeneinem teuren Wagen stand, stieÃ, rief ich: »Oh, tut mir leid!«, und ging weiter. Ich dankte meinem Schicksal, dass er ein Mensch war, kein Feenwesen, doch schon in der nächsten Sekunde wurde mir klar, dass ich die »Lautstärke« heruntergedreht hatte und er doch kein Mensch war. Ich wirbelte herum, zog dabei den Speer aus dem Holster und beschwor die anderen FuÃgänger, von denen die meisten ihre Nase in eine Zeitung steckten oder telefonierten, im Geiste, nicht auf mich zu achten, als könnte ich mich selbst auch in Glamour hüllen oder wie die anderen Monster mit den Schatten verschmelzen.
»Miststück«, spie Derek OâBannion aus; sein dunkles Gesicht war von Hass verzerrt. Aber die kalten reptilienartigen Augen erkannten meine Waffe, und er kam keinen Schritt auf mich zu.
Ironischerweise war dies der Speer, den ich seinem Bruder Rocky gestohlen hatte, kurz bevor Barrons und ich ihn und seine Gefolgsmänner in die mit
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