Im Schatten dunkler Mächte
verhöhnten. Aber er war ein Mädchenschwarm, und Mädchen hatten ihn auch das Schreiben gelehrt.
Mit dreizehn hatte er das Pech, die Aufmerksamkeit einer Feenprinzessin auf sich zu ziehen, als er durch den dunklen dichten Wald gegangen war, um den eigentlichen Weg abzukürzen.
Sie hatte ihn bezaubert und dazu verführt, ihr ins Reich der Feen zu folgen, wo sie sich rasch in ein kaltes, furchteinflöÃendes Wesen verwandelte. Sie hielt ihn in einem goldenen Käfig bei Hofe gefangen, und er wurdegezwungen zuzusehen, wie die Feen mit ihren menschlichen »Haustieren« spielten. Zu diesen Spielen gehörte, die Sterblichen zu Pri-ya zu machen: zu Kreaturen, die um die Zärtlichkeiten der Feenwesen flehten, irgendeines Feenwesens, auch wenn »sie ihnen die schändlichsten Dinge antaten und sie dazu brachten, sich gegenseitig Schlimmes anzutun« â wie der junge Mann schrieb. Diese Kreaturen hatten keinen eigenen Willen und keinen Verstand mehr, sie waren sich nur noch ihrer sexuellen Bedürfnisse bewusst. Sie kannten weder Moral noch Gnade und fielen übereinander her wie tollwütige Tiere. Der Junge hatte schreckliche Angst vor den Pri-ya und fürchtete, dazu bestimmt zu sein, genauso zu werden wie seine Artgenossen. Er hatte keine Möglichkeit, die Zeit zu messen, aber er sah Hunderte »Spielgenossen« der Feenwesen kommen und gehen. Und irgendwann begann sein männlicher Haarwuchs, was das Interesse der Prinzessin weckte.
Wenn die Feen ihrer Spielzeuge überdrüssig wurden, warfen sie sie aus ihrem Reich und überlieÃen sie dem Siechtum und dem Tod. Auf diese Weise wurden die Gesetze des Paktes nicht verletzt. Sie töteten die Menschen, die sie gefangen nahmen, nicht eigenhändig. Sie bewahrten sie nur nicht vor dem sicheren Tod. Ich fragte mich, wie viele dieser Pri-ya in Irrenhäusern starben oder weiterhin für das missbraucht wurden, wonach sie sich schmerzlich sehnten, und von ihren eigenen Artgenossen umgebracht wurden.
Der Junge hörte alles, was gesprochen wurde, und schrieb es auf, weil diejenigen, die aus dem Reich der Feen verbannt wurden, all ihre Habe mit sich nehmen durften. Auch wenn er keine Hoffnung hatte zu überleben, wollte er zumindest seine Leute daheim warnen.(Das Kind hatte nicht gewusst, dass viele hundert Jahre vergingen, bis ihn die Feen freilieÃen.) Er hoffte, dass seine Berichte wenigstens einen Menschen retten konnten oder dass sie Hinweise enthielten, die eines Tages jemanden dazu befähigten, seine angsteinflöÃenden, gnadenlosen Entführer zu töten.
Ein Schauer durchfuhr mich. Dass sein Plan aufgegangen war, bedeutete, dass der Junge längst gestorben war. Und wie er sich erhofft hatte, hatte sein Notizbuch den Weg zu den Menschen gefunden und war schlieÃlich in die Hände der Sidhe -Seherinnen gelangt, um von Generation zu Generation weitergegeben zu werden und in Rowenas Schreibtisch zu landen. Und warum hatte sie es in ihren Schreibtisch gelegt? Als leichte Lektüre für die Mittagspause, oder suchte sie nach etwas Bestimmtem?
Ich sah auf die Uhr. Es war halb drei. Ich schnappte mir mein Handy und wählte wieder die Nummer des Instituts für Altsprachen. Niemand nahm ab. Wo steckte der Junge mit den verträumten Augen? Wo war Christian? Ich klappte den Laptop zu und überlegte, ob ich mich auf den Weg zum Trinity machen sollte. Doch dann klingelte das Handy. Es war Dani, und sie sagte, dass die Mädchen bereits in dem verabredeten Pub auf mich warteten. Ob ich mich ein bisschen beeilen könnte.
Ich stieg die Treppe zu der dunklen Kellerbar hinunter und sah sieben Frauen von Mitte bis Ende zwanzig an einem Tisch sitzen. Und natürlich Dani. Zwei waren an dem Tag, an dem Moira gestorben war, im Buchladen gewesen: eine groÃgewachsene Brünette mit grauen Augen und ruhigem Blick, der ständig im Pub umherschweifteund dem zweifellos nicht das Geringste entging, und ein dürres dunkeläugiges Mädchen mit platinblonden Haaren, dickem schwarzen Eyeliner und schwarz lackierten Nägeln. Sie wiegte sich rhythmisch auf ihrem Stuhl, obwohl ihr iPod und die Ohrstöpsel auf dem Tisch lagen. Es existierte kein zweiter Ausgang, nur die Tür, durch die ich gekommen war, und da es keine Fenster gab, war mir der Pub zu dunkel und klaustrophobisch. Als ich Platz nahm, sah ich, dass den anderen so unbehaglich zumute war wie mir. Fünf Handys lagen auf dem Tisch und
Weitere Kostenlose Bücher