Im Schatten (German Edition)
Es war ganz komisch. Auf der einen Seite hatte sie Angst, der neue Chef würde sie weniger anerkennen als der alte, sie wollte sich aber auch nicht so leicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Und es war deutlich zu spüren, dass sie sehr im Zwiespalt war. Einerseits war ich ja nun einmal ihr Vorgesetzter, auf der anderen Seite bin ich ein Typ Mensch, den sie im Privatleben nicht sonderlich ernst genommen hätte. Immer wieder hat sie mich zurechtgestutzt und mich manchmal ganz provokativ wie einen kleinen Jungen behandelt.« Mark lachte leise bei der Erinnerung, wobei er verlegen eine der immer noch laufenden Tränen abwischte.
» Und du hattest Angst, es einzugestehen, stimmt’s? Warst du deshalb manchmal so ekelhaft zu ihr? Hast dich immer wieder mit anderen Frauen eingelassen und sie nach euren Treffen tagelang ignoriert?«
Beinahe unwillig schüttelte er den Kopf.
»Ich war ganz angetan von ihrer Art. Sie ließ mich nicht mehr los und irgendwann merkte ich selbst, dass ich immer wieder ihre Nähe suchte. Ich wollte es ihr nicht eingestehen. Und mir noch viel weniger. Ich habe mir immer wieder versucht zu beweisen, dass sie keine Bedeutung für mich hat, indem ich mir andere Mädels ins Bett geholt habe. Ich habe die Augen davor verschlossen, dass es mich letztendlich mehr frustrierte als befriedigte. Kurz bevor wir zusammenkamen, war es ganz extrem. Und manchmal auch in den ersten Wochen. Aber das ist schon seit vielen Monaten nicht mehr vorgekommen. Sie geisterte ständig durch mein Gehirn und ich habe versucht, sie zu vertreiben. Aber irgendwann habe ich es dann kapiert.«
» Aber sie hat in ihrem Tagebuch geschrieben, dass es die ganze Zeit so war.«
» Es war aber nicht so. Wirklich nicht. Ich habe sie auch nicht ignoriert. Aber ich habe einen ziemlich wichtigen Job zu tun, und da kann ich nicht immer auf SMS antworten oder mit ihr telefonieren. Das war immer so. Vielleicht hat sie nur an den Tagen nach unseren Treffen besonders sensibel darauf reagiert. Ich weiß es nicht. In den letzten Wochen hatte ich das Gefühl, wir könnten es schaffen. Wir kamen uns immer näher, und ich habe ihr immer mehr von mir erzählt.«
*
28 . November 2007
Was ist nur passiert? Was ist los mit ihm in letzter Zeit? Erst diese unerwartete Offenheit, nun dies. Er sucht meine Nähe, macht mir den Hof. Was bin ich für ihn? Doch mehr als ich dachte? Liebt er mich doch?
Sie lag in seinen Armen und genoss die Zeit, bevor sie sich wieder auf den Weg machen musste. Tatsächlich hatte sich sein Verhalten ihr gegenüber seit dem unerfreulichen Zwischenfall mit Petra nicht geändert, eher im Gegenteil. Ein wenig träge rekelte sie sich. Wie so oft entspann sich in dieser seligen Ruhe eine leise, angeregte Unterhaltung.
» Geht es eigentlich in der Model-Branche wirklich so zu? Ich meine, dass da ständig jeder mit jedem … du weißt schon.« Mark lachte leise.
» Nein. Das ist nur ein dummes Klischee. Es sind genauso Menschen, wie alle anderen auch. Connie hat nichts mit den Models. Wenn sie einen Mann will, geht sie auf Tour, in Kneipen, Diskos und so was.«
» Stört es dich gar nicht?«
» Nein.« Eine ganze Weile schwieg er, doch dann begann er zu erzählen: »Früher war es anders. Als wir uns kennen gelernt haben. Du hast mich einmal gefragt, ob ich sie liebe. Ich habe sie geliebt. Damals. Es war alles gut, und wir waren glücklich. Es gab keine Affären, keine Verletzungen.« Wieder schwieg er.
» Und da habt ihr geheiratet.«
» Fast. Wir waren auf einer Party gewesen. Beide ziemlich zu. Die Koordination hat für ’n Kondom nicht mehr so ganz gereicht, für den Rest schon.« Er grinste Valerie an. »Es kam, wie es kommen musste, Connie wurde schwanger, und wir haben geheiratet.«
» Aber du hast mir gesagt, ihr hättet keine Kinder!« Viel zu bestürzt über diese neue Information realisierte sie kaum, dass sie offensichtlich angelogen worden war.
» Ja, das stimmt auch. Sie war im fünften Monat, da hatte sie einen Unfall. Sie wollte das Studio neu streichen. Ich habe ihr gesagt, ich mache das am Wochenende, aber sie wollte nicht bis dahin warten. Also ist sie selbst beigegangen. Und ist von der Leiter gestürzt.«
» Oh Gott, das tut mir leid!« Mark lächelte sie dankbar an.
» Seither kann sie keine Kinder mehr bekommen.«
» Wolltet ihr denn ursprünglich Kinder haben?«, fragte sie.
» Nein. Ich arbeite sehr viel, wie du weißt, und das war schon immer so. Und bei Connie ist es nicht
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