Im Schatten (German Edition)
seine Wangen waren gerötet, als wäre er mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren. Die Augen waren gleichmäßig blau mit einem dunklen Rand um die Iris. Sein ganzes Gesicht war einfach nur hinreißend schön. Das Kinn und die Wangen waren von Bartstoppeln überschattet, und eine dunkle Stelle am Kinn verriet, dort verbarg sich ein kleines Grübchen. Er trug eine enge Jeans, Turnschuhe und ein T-Shirt. Unter dem Arm hatte er eine abgewetzte schwarze Aktentasche. Kaum hatte er den Raum betreten, kam auch schon Herr Burzig aus seinem Büro.
» Guten Morgen, Herr Mühlau. Ich freue mich, Sie zu sehen.« Die beiden Männer reichten sich die Hände. »Darf ich Sie kurz mit den Mitarbeitern bekannt machen, bevor wir reingehen? Das ist also Herr Mühlau, ihr neuer Vorgesetzter. Frau Zieglow, unsere erste Zeichnerin«, stellte Herr Burzig sie vor. Mark Mühlau begrüßte sie lächelnd, doch lag auch so etwas wie Erstaunen in seinem Blick, ganz so, als hätte er etwas anderes erwartet. Nachdem sie ihre Runde gemacht hatten, verkrochen sich die beiden im Chefbüro und blieben dort – nur unterbrochen von einer kurzen Mittagspause – bis sich Herr Burzig am Abend offiziell von seinen Mitarbeitern verabschiedete.
Am nächsten Morgen kam es zu fast demselben Auftritt. Nachdem alle im Büro waren, kam auch der neue Chef fast genauso, wie am Tag vorher, nur dieses Mal mit einem anderen T-Shirt bekleidet. Das Haar war genauso zerzaust und das Kinn unrasiert. Es schien Methode zu haben, und Valerie fand, es stand ihm ausgesprochen gut. Kein Wunder, dass er als Weiberheld gilt , dachte sie, bei seinem Aussehen ist das ja schon fast Verpflichtung .
Nach einer knappen Begrüßung bat er Tina, das Personal zusammenzutrommeln. Er wollte gerade in seinem neuen Büro verschwinden, als er auf Tinas an diesem Tag auffallend weit aufgeknöpfte Bluse wies.
»Sie werden sich erkälten«, sagte er freundlich lächelnd und verschwand.
Obwohl die Prognose nicht zu den sommerlichen Temperaturen passte, schloss die Angesprochene unter dem Gelächter der anderen Frauen einen Knopf und machte sich daran, die übrigen Kollegen zu holen. Valerie hörte neben sich ein Rascheln und sah, wie Herr Mühlau die Jalousie öffnete. Unauffällig schaute sie durch die Glasscheibe ins Chefbüro und beobachtete ihn, wie er auf seinem Stuhl Platz nahm und sich auf dem Schreibtisch umsah. Dort lagen ein paar Akten, einige Zeichnungen, Stapelkörbe und die üblichen Schreibtischutensilien. Entschlossen nahm er ein Etui aus seiner Aktentasche, holte verschiedene Schreibwerkzeuge heraus und legte sie in die dafür bereitliegende Schale. Dann startete er den Computer, vergewisserte sich mit einem Blick durch die Scheibe, dass alle versammelt waren, und kam aus dem Büro. Lässig lehnte er sich gegen Tinas Schreibtisch und sah sich in der Runde um. Dann begann er:
» Na, dann wollen wir mal. Also, ich bin Mark Mühlau, fünfunddreißig Jahre alt und war vorher bei Weigelt und Sohn, bis ich dieses Angebot bekommen habe. Hat mich irgendwie gereizt.« Er lächelte. »Ist es für Sie in Ordnung, wenn wir uns mit dem Vornamen ansprechen? Ich finde es einfacher und netter.« Als Antwort kamen zustimmendes Gemurmel und Nicken. »Gut. Also, ich habe schon in den letzten Wochen ein wenig bei Ihnen reingeschnuppert, ohne dass Sie es mitbekommen haben. Ich habe die ganze Zeit das Leipzig-Projekt mitbearbeitet, damit ich es jetzt komplett übernehmen kann. Die übrigen Projekte bleiben wie gehabt. Ich habe mir natürlich Ihre Personalakten angesehen und Herr Burzig war so freundlich, mir einiges zu erzählen. Ich werde mir dennoch von jedem von Ihnen mein eigenes Bild machen. Niemand kann sich auf seinen bisherigen Leistungen ausruhen.« Bei den Worten blieb sein Blick, wie es schien, auf Valerie hängen. »Ich werde Sie auf jeden Fall neu beurteilen und Sie werden sich Ihre Position im Team neu erarbeiten müssen.« Seine Augen waren inzwischen weiter gewandert. »Mich überzeugen lediglich die Leistungen, die ich zu sehen bekomme, sonst nichts.« Sein Blick blieb auf Tina hängen, die prompt rot anlief. »Sie können jederzeit zu mir kommen, wenn Sie Fragen oder Anregungen haben. Oder wenn Ihnen etwas nicht gefällt. So, das war die Sonntagspredigt.« Er grinste breit. »Möchten Sie noch etwas von mir wissen?«
Es entstand eine kleine Pause, in der Mark Mühlau fragend in die Runde blickte. Schließlich traute sich Peter , der Statiker des Teams:
» Wie ist es jetzt
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