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Im Schatten (German Edition)

Im Schatten (German Edition)

Titel: Im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar R. Rehberg
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Vorschläge und Anmerkungen nahm er stets ernst. Wann immer es möglich war, bezog er sie in seine Projekte ein und so kam es häufig vor, dass sie zusammen unterwegs waren. Manchmal gönnten sie sich auf dem Weg von einer Baustelle eine Pause in einem Restaurant. Ihre Gespräche waren dabei meist privater Natur. Mark fragte sie viel nach ihrem Leben, ihrer Familie und ihren Interessen. Oft unterhielten sie sich aber auch über das aktuelle Tagesgeschehen. Und manchmal kam ihr Gespräch auf Marks Privatleben. Er erzählte von seinem sportlichen Interesse, von Besuchen im Kino und Theater und von Urlaubsreisen. Ob er all dies allein unternahm oder gemeinsam mit einer Frau, erfuhr Valerie allerdings nie. Einige Tage nach dem Urlaub fuhren sie ungewöhnlich früh zu einer Besprechung mit einem neuen Auftraggeber. Das Meeting ging über mehrere Stunden, und bevor sie am frühen Nachmittag wieder ins Büro fuhren, machte Mark den Vorschlag, in einem chinesischen Restaurant einzukehren. Dieses Mal kreiste ihr Gespräch um die gerade überstandene Besprechung. Noch während des Essens sprudelten die Ideen geradezu aus Mark heraus. Mit den Stäbchen in der Hand führte er sein Essen so geschickt zum Mund, als hätte er nie etwas anderes getan. Und während er erzählte, unterstrich seine Handbewegung jedes seiner Worte. Valerie hatte nie jemandem gesehen, der beim Reden mit vollem Mund so viel Eleganz ausstrahlte. Er bewegte seine Lippen so geschickt, dass nichts vom Essen zu sehen war. Valerie blieb nichts, als die Anmut seiner Hand- und Mundbewegungen zu bewundern.
    » Warum starren Sie mich die ganze Zeit an?«, fragte er plötzlich. »Sind meine Ideen so aberwitzig?«
    Ertappt lief Valerie rot an. »Nein, absolut nicht. Es ist nur … « Sie schämte sich, ihm die Wahrheit zu sagen. Doch Mark war merklich ungeduldig. Die Hand mit den Stäbchen lag inzwischen auf dem Tisch, mit der anderen stützte er seinen Kopf, während er ihr in die Augen sah.
    » Was?«, fragte er.
    » Ich, ähm … ich habe nur Ihre Geschicklichkeit bewundert, mit der Sie mit Stäbchen essen.«
    » Reine Übungssache«, entgegnete Mark nun lächelnd und wandte sich wieder dem Thema zu. Valerie hingegen konnte sich gar nicht sattsehen an seinen Handbewegungen. Natürlich war es ihr schon vorher aufgefallen. Seine Hände waren schlank, schön geformt und gepflegt. Die Bewegungen weich und dennoch ganz besonders und von einer Eleganz, wie sie es ähnlich bisher nur bei den wenigen anderen Linkshändern gesehen hatte, die ihr begegnet waren. Es dauerte ein wenig, bis sie Marks plötzliches Schweigen registrierte, und merkte erst dann, dass sie unentwegt auf seine Hand gestarrt hatte. Als sie ihm nun in die Augen sah, registrierte sie seinen amüsierten Blick.
    » Ich finde es einfach faszinierend, mit was für einer einzigartigen Eleganz Linkshänder ihre Hände bewegen«, verteidigte Valerie sich, ohne im Geringsten angegriffen worden zu sein.
    » Eleganz?«, fragte Mark halb amüsiert, halb irritiert.
    » Ja, es ist eine besondere Art der Bewegung. So etwas sieht man bei Rechtshändern nicht. Es ist irgendwie harmonischer, bewusster. Ich weiß auch nicht, wie ich es ausdrücken soll.«
    » Harmonischer? Sind Sie sicher? Eigentlich gelten Linkshänder doch eher als ungeschickt. Vielleicht liegt es ja auch am Reiz des Ungewohnten«, gab Mark zu bedenken. Sie wusste, was er meinte. Immerhin gehören Linkshänder in diesen Breitengraden eher zur Ausnahme. Dennoch neckte sie ihn:
    » Der Reiz des Ungewohnten, ja? Und es gibt so wahnsinnig viele Rechtshandfrauen in unserer Gegend, nicht?«
    Mark lachte kurz auf, spielte dann aber den Beleidigten:
    »Valerie, was habe ich nur getan? Sie scheinen mich ja für einen totalen Weiberhelden zu halten.«
    » Das war das Erste, was ich von Ihnen gehört habe. Nicht ›er ist ein guter Architekt‹ oder ›er ist ein netter Kollege‹. Sondern ›er ist ein totaler Weiberheld‹.«
    Mark machte ein ganz zerknirschtes Gesicht.
    »Hm, da muss ich wohl ungedingt etwas tun, um mein Image aufzupolieren.«
    » Den meisten Männern würde ein solches Image gefallen.«
    » Tatsächlich? Na, ich weiß nicht so recht.«
     
    *

25. April 2008
     
    K atherine hatte es eingerichtet, auf ihrem Rückweg von der Uni direkt an dem alten Büro ihrer Mutter vorbeizukommen. Sie wusste noch immer nicht, wie und mit wem sie die Befragungen anfangen sollte. Mit Tina, der Sekretärin, die seit mehr als fünf Jahren dort arbeitete und ihre

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