Im Schatten meiner Schwester. Roman
sein.
»Sind Sie Freunde der Familie?«, fragte er die Mutter.
»Nein, aber Robin war der Grund, dass Kaitlyn mit dem Laufen angefangen hat.«
»Sie hat in meiner Schule gesprochen«, erklärte das Mädchen. »Und als ich ihr nachher geschrieben habe, hat sie geantwortet. Ich habe heute Nachmittag einen Termin beim Arzt. Mom hat mich früher in der Schule Schluss machen lassen, um herzukommen.«
»Was sind die neuesten Nachrichten über sie?«, fragte Nick die Mutter.
»Sie sagen nur, dass ihr Zustand kritisch ist. Wissen Sie denn mehr?«
»Nein«, antwortete er. Er dachte, dass es seine Strafe dafür war, dass er Molly benutzt hatte, dass er nun hier gestrandet war, als er Charlie Snow im Gang erblickte. Ohne ein Wort stand er auf und ging ihm nach. Am Lift holte er ihn ein. Der Mann war tief in Gedanken.
»Mister Snow?« Charlie blickte auf. »Wie geht es ihr?«
»Oh, Nick, hallo.«
»Ist es so schlimm, wie Molly sagt?«
»Was hat Molly gesagt?«
»Dass sie immer noch bewusstlos ist.« Molly hatte natürlich noch mehr gesagt, doch Nick brachte es nicht über sich, es zu wiederholen. Allmählich fühlte er sich schlecht, was Molly betraf. Er hatte sie reingelegt.
»Das trifft es auch so ungefähr«, bestätigte Charlie. »Wir warten.«
Nick hatte ein Dutzend Fragen, stellte jedoch keine einzige. Der Lift kam, und bevor er sich’s versah, war er allein. Er stand lange Zeit da und fragte sich, was los war. Er konnte jeden alles fragen. »Was fühlen Sie?«, hatte er eine Mutter gefragt, die zugesehen hatte, wie Taucher nach der Leiche ihres Sohnes suchten. So bekamen Reporter eben ihre Antworten. Wehleidige Reporter bekamen nichts.
Er war nicht wehleidig, was die Snows anging, doch vielleicht war er zu nahe. Verdammt, er gehörte fast zur Familie. Zumindest sah er sich selbst so.
Entmutigt nahm er den nächsten Aufzug nach unten und kehrte in den Nachrichtenraum zurück, um ein halbes Dutzend kleiner Storys zu verfolgen; doch wenn er gehofft hatte, sich abzulenken, so hatte er sich auch hier geirrt. Dauernd musste er an das letzte Mal denken, als er Robin gesehen hatte. Sie aß mit Freunden in einem Restaurant in der Stadt zu Abend und sah fabelhaft aus.
Ruf Molly an, sagte er sich. Sie soll dir sagen, dass es nicht stimmt. Doch Molly hatte Probleme mit ihrer Schwester, und
dass er sie reingelegt hatte, machte es nur noch schlimmer.
Er konnte ins Krankenhaus zurückfahren, nur um dort herumzuhängen. Wenn Molly ihn dort sähe und sie anfingen zu reden, könnte sie vielleicht in aller Unschuld etwas herauslassen. Oder aber er könnte auf den Typen stoßen, mit dem sie gesprochen hatte. David. Der ihm bekannt vorkam. Nick fragte sich, ob er mehr über Robins Zustand wusste.
Er fühlte sich ausgehöhlt, lehnte sich zurück und presste die Hand auf die Augen. David, der ihm bekannt vorkam. David.
Er versuchte, ihn unterzubringen, machte die Augen auf und wühlte sich durch Ausdrucke von noch nicht weit zurückliegenden Storys, die sich auf seinem Schreibtisch häuften. Er blätterte einen Stapel Fotos durch. Dann lehnte er sich wieder zurück. Er war in eine Bar gegangen, nachdem er Molly Sonntagabend zu Hause abgesetzt hatte. Vielleicht hatte er den Typen ja dort gesehen.
Ein Gesicht erschien über der Vorderwand seines Kabuffs. »Willst du, dass ich mit zum Gericht komme?«
Nick sah auf die Uhr. Während er Adam Pickens, seinen bevorzugten Fotografen, anschaute, musste sein Blick auf das, was er seine »Idolwand« nannte, fallen. Hier hingen Fotos von Rupert Murdoch, Bernard Ridder und William Randolph Hearst. Und da waren auch Bilder von Bob Woodward und Carl Bernstein, doch ein anderes Bild erregte Nicks Aufmerksamkeit. Es zeigte Oliver Harris, den Besitzer der drittgrößten Zeitungskette des Landes, mehrerer Sportmannschaften und eines Kabelsenders.
Mollys David sah genauso aus wie der Typ.
Nick beugte sich vor und googelte Oliver Harris. Nachdem er mehrere mit dem Unternehmen in Zusammenhang stehende Einträge überflogen hatte, fand er einen Artikel über Harris’ Familie. Der Mann war mit Joan verheiratet und hatte vier Kinder, von denen drei für das Unternehmen arbeiteten. Das vierte und jüngste hieß David.
Möglicherweise ein Zufall. Weder David noch Harris waren seltene Namen. Doch da war auch noch die Ähnlichkeit im Aussehen.
Er googelte David Harris, fand aber nur viele Seiten mit anderen David Harrises. Er verengte seine Suche und tippte »Sohn von Oliver« ein. Sekunden
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