Im Schatten meiner Schwester. Roman
Körper.«
»Es schlägt immer noch ein Herz darin«, warnte er sie.
»Würde es schlagen, wenn die Apparate abgeschaltet wären?« Sie sah die Antwort in seinem Gesicht und konnte fast verstehen, warum Kathryn so hartnäckig war. Sie klammerte sich nicht an die Hoffnung, sondern an den letzten lebendigen Rest ihres Kindes.
»Was ist mit ihrer Seele?«, fragte Molly.
»Die ist im Himmel.«
»Schon?« Er nickte. »Schwebt sie nicht noch hier? Wie können wir sie fühlen, Dad? Wie wissen wir, was wir tun sollen, wenn Robin uns keinen Hinweis gibt?«
Charlie nahm ihre Hand. »Robin ist an einem guten Ort. Von nun an müssen wir tun, was für uns am besten ist.«
»Wir wissen, was Mom will«, erwiderte Molly, die sich daran erinnerte, wie Kathryns Hand die von Robin hielt. »Was aber willst du?«
»Was Mom will.«
Sie hätte diese Antwort vorausahnen können, doch sie wollte sie nicht hören. »Stimmst du ihr zu?«
»Es ist egal. Ich will, was sie will.«
»Chris will alles abschalten.«
»Was willst du?«
»Was Robin will.«
Er lächelte traurig. »Wenn wir das nur wüssten.«
Das war die Herausforderung. Molly wurde nachdenklich. »Würde Robin monatelang da oben liegen wollen? Sie liebt es, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, aber das hier kann sie nicht gewinnen, und sie hasst es zu verlieren. Erinnerst du dich an Virginia Beach? Sie war die beste Läuferin im Feld, bis die Organisatoren drei Wochen vor dem Rennen drei bessere Konkurrentinnen anlockten. Robin hat lieber zurückgezogen, als zu verlieren.«
»Das war eine politische Entscheidung«, erklärte Charlie. »Sie musste in dem Stadium gewinnen.«
Das verstand Molly. »Aber nimm doch das, was sie damals getan hat, und wende es auf heute an.«
»Kein Vergleich. Hier geht es um Leben und Tod. Daran ist nichts Politisches.«
»Vielleicht nicht, aber Robin ist stolz. Wir reden hier von der Frau, die Luciano vor jedem großen Rennen zweihundert Dollar gezahlt hat, damit er ihr die Haare schneidet.«
»Das macht sie, weil es Glück bringen soll.«
»Sie macht es wegen des Aussehens«, beharrte Molly, »und ich würde es auch tun, wenn ich solche Haare wie sie hätte und dazu noch einen perfekt geformten Schädel.«
»Was stimmt denn mit deinem Schädel nicht?«
»Ich weiß es nicht, da ich ihn durch das ganze Haar nicht sehen kann, aber das meinte ich auch nicht. Robin ist ihr Aussehen wichtig. Würde sie wollen, dass die Welt sie so sieht?«
»Das sind doch nur wir, Süße«, gab er ruhig zurück. »Ich nehme an, du willst, dass wir die lebenserhaltenden Apparate abschalten.«
»Ich will, was
sie
will.«
Charlie sah an ihr vorbei, und plötzlich stand Nick da. Molly hatte ihn nicht nur nicht kommen sehen, sondern sie wunderte sich auch, dass er nach ihrem Telefonat gestern Abend auftauchte. Im Bruchteil einer Sekunde war sie fuchsteufelswild.
Er sah nervös aus, was ihr etwas Befriedigung verschaffte. Tatsächlich war er schemenhaft blass. Als er ihr einen unbehaglichen Blick zuwarf, wappnete sie sich. Doch er wandte sich an Charlie. »Mister Snow? Es tut mir leid – ich will, dass Sie wissen, wie sehr es mir wegen Robin leidtut. Das hier ist einfach nicht das, was alle erwartet haben. Ich hoffe, mein Artikel hat alles nicht noch schlimmer gemacht. Ich werde dafür sorgen, dass es keine weiteren gibt. Ich weiß, dass Ihre Privatsphäre Ihnen jetzt wichtig ist, aber wenn es irgendetwas gibt, was ich tun kann, irgendetwas, womit ich helfen könnte, würde ich das gerne tun.«
Molly fragte sich, was er vorhatte.
»Vielen Dank für das Angebot«, erwiderte Charlie höflich – und warum auch nicht? Er wusste ja nicht, was für eine Schlange Nick war.
»Ich möchte sie gerne sehen – nur mit ihr reden«, fuhr Nick fort. »Wäre das wohl möglich?«
»Nein«, schoss Molly zurück, bevor Charlie antworten konnte. Dann wurde sie ruhiger und schüttelte den Kopf. »Nicht möglich.«
»Nicht für die Zeitung. Für mich.«
Molly lächelte. »Nicht möglich.«
Nick appellierte wieder an Charlie. »Sie und ich waren miteinander verbunden. Ich kann es nicht erklären.«
Charlie wirkte verwirrt.
»Meine Eltern gehen gerade durch die Hölle«, sagte Molly. »Das hier ist nicht hilfreich.«
Nick warf ihr einen flehenden Blick zu, bevor er ging.
»Was sollte das denn?«, fragte Charlie.
So eine bedeutsame Frage – Molly hätte vielleicht gelacht, wenn es nicht so tragisch gewesen wäre. Ihr war das Lächeln vergangen, als sie nun
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