Im Schatten meiner Schwester. Roman
Gold gewonnen.«
Die Worte hingen in der Luft, eine Hoffnung, die sich nie erfüllen würde. Nicht nächstes Jahr. Niemals. Das Tragische daran zerriss Molly, und mit dem nächsten Atemzug spürte sie, wie die Wände näher kamen. Sie brauchte Luft und ging hinaus auf den Flur. Sie beugte sich vor, die Hände auf den Knien, als ihr Vater zu ihr kam. Er massierte ihr den Nacken, bis sie die Fassung wiedererlangte und sich aufrichtete. Verwirrt fragte sie: »Wie ist alles so schnell so schlimm geworden? Ist unser aller Leben auf einem Kartenhaus erbaut worden?«
»Nein, Liebes. Wir hatten nur Glück. Die meisten Familien müssen sich früher und öfter mit Krisen auseinandersetzen.«
Und bei alldem blieb er ruhig. Sie betrachtete ihn. Oh, er war blass. Aber eindeutig ruhig.
»Geht es dir gut dabei?«, fragte sie.
»Dass ich weiß, dass Robin nicht meine biologische Tochter ist? Es hat nie auch nur den winzigsten Unterschied gemacht.«
»Weil du es von Anfang an wusstest.« Er nickte. »Hast du dir jemals gewünscht, du könntest mit Robin darüber reden?«
»Es war nicht an mir, das zu wünschen. Ich habe getan, was deine Mutter wollte.«
»Aber gab es jemals Zeiten, in denen du deswegen nicht mit ihr einverstanden warst? Was, wenn Robin an den Olympischen Spielen teilgenommen hätte? Hättest du gedacht, dass Peter Santorum vielleicht zusehen würde?« Er zuckte mit den Schultern. Vielleicht. »Hättest du angerufen, um es ihm zu sagen?«
»Deine Mutter hätte das tun müssen.«
»Sie hätte es nicht getan. Was, wenn Robin es gewollt hätte?«
»Robin hätte anrufen können.«
»Was, wenn sie ihn eigentlich hier haben wollte, aber Angst hatte, Mom zu verletzen?«, fragte Molly. »Und was ist mit jetzt? Meinst du, jemand sollte ihm sagen, was passiert ist?«
»Deine Mom wird anrufen, wenn sie es für richtig hält.«
»Was meinst du denn?«
»Ich meine, deine Mom sollte es entscheiden.«
»Aber was ist damit, was Robin will?«, fragte Molly frustriert. Als Charlie nur den Kopf schüttelte, sagte sie: »Ich komme gerade von Nana. Ich dachte, ich hätte es geschafft – akzeptieren und loslassen. Nana wird sich nicht mehr an die Vergangenheit erinnern. Ich akzeptiere das. Ich habe meinen Frieden damit gemacht. Kein ›Was wäre, wenn‹ mehr. Alles loslassen. Mit Robin ist es schwerer. Ich will es akzeptieren. Ich will loslassen. Doch der Boden entzieht sich dauernd meinen Füßen. Wann wird er wieder ruhig werden?«
Kathryn blickte auf, als Charlie ins Zimmer zurückkam. Sie zeigte auf Robin. »Sie hat es gewusst. All die Monate. Wie hat es mir nur entgehen können? Wäre da nicht Wut gewesen? Anspannung? Vielleicht eine seltsame Frage? Ich sitze hier und versuche, mich zu erinnern. Aber ich schwöre, ich habe nichts bemerkt. War ich so von allem anderen besessen, dass ich es nicht gesehen habe?«
Charlie legte den Arm um sie. »Wenn du es nicht gesehen hast, dann hat sie auch nichts gezeigt.«
»So eine Sache – wie konnte sie das nicht? Sie muss doch wütend auf mich gewesen sein. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass sie es einmal so erfahren würde.« Sie wedelte mit der Hand und versuchte, es zu erklären. »Es war so unwichtig für unser Alltagsleben. Ich hätte es ihr irgendwann erzählt, vielleicht wenn sie geheiratet oder ein Kind bekommen hätte. Charlie, wieso hat er nicht mich zuerst anrufen können?«
»Sie war dreißig, Kathryn. Eine erwachsene Frau.«
»Aber ich bin ihre Mutter.«
»Eine erwachsene Frau.«
Diesmal hörte ihn Kathryn. Sie beugte sich vor und berührte Robins Gesicht. »Es tut mir leid, Baby«, flüsterte sie, während ein plötzlicher Ansturm von Tränen Robins Züge verschwimmen ließ. »Du hättest niemals allein damit fertig werden sollen. Ich hatte unrecht.« Sie nahm das Taschentuch, das Charlie ihr reichte, und wischte sich die Augen. Mit dem nächsten Atemzug kehrte die Erschöpfung zurück, doch es war nicht mehr die niederschmetternde Lethargie von vorhin. Diese hier rief nach Schlaf.
Doch zuerst fragte sie: »Ist Molly okay?«
»Sie wird okay sein. Sie hat einen vernünftigen Kopf auf den Schultern. Im Moment ist sie Robins Ersatz.«
»Und Chris? Erzählen wir es ihm?«
»Ich werde es tun«, bot er an.
Kathryn war dankbar. Sie glaubte nicht, dass sie die Kraft dafür hatte. »Wird dich das nicht in eine peinliche Lage bringen?«
»Als der Vater, der keiner war?«, spottete er leise. »Komm schon, Kath, du weißt es besser. Für mich war
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