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Im Schatten von Montmartre

Im Schatten von Montmartre

Titel: Im Schatten von Montmartre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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meinen eigenen vier
Wänden! Ihr Verhalten... Burma“, sagte sie verträumt und rückte ihren
Büstenhalter, der bei unserer Balgerei verrutscht war, wieder zurecht. „Nestor
Burma... Ich glaube, ich hab Ihren Namen in der Zeitung gelesen.“
    „Affäre Clarimont“, half ich nach.
    „Genau! Ein Arzt aus Sceaux, dem man seine
Jadefiguren geklaut hat.“
    Sie sah auf ihre zierliche Armbanduhr.
    „Wo bleiben denn die Favelles? ... Sagen Sie,
warum kommen Sie nicht mit uns, zu Demougin?“
    „Ja, warum eigentlich nicht?“
    „Abgemacht: Ich lade Sie ein!“
    In diesem Augenblick wurde die Tür geöffnet. Ein
junger Mann trat ein, rot im Gesicht, wie frisch vom Lande. Er war der Freund —
ein gewisser Jourdin — , mit dem sich die Favelles hier verabredet hatten.
Verstohlen sah der junge Mann auf den kaputten Strumpfhalter, der immer noch
auf dem Boden lag. ,Bei diesen Künstlern, da passieren aber auch Sachen!“,
mußte er wohl denken.
    Die blauhaarige Malerin bot auch ihm ein
Gläschen an. Dann hob sie das neckische Kleidungsstück auf und warf es in den
Papierkorb.
    Endlich kamen auch die Favelles hereinspaziert.
Kein Kommentar nötig. Die üblichen Verrückten von Montparnasse. Händeschütteln.
Stammeln. Gegenseitiges vorstellen. Begrüßungstrunk, wie gehabt. Danach die
Frage, wie wir zu Demougin in die Rue Froidevaux kommen sollten. Zu Fuß oder
mit dem Taxi? Ich sagte, daß mein Wagen vor der Tür stehe.
     
    * * *
     
    In Demougins Atelier — es sah ganz so aus, als
ob der Meister nicht darauf angewiesen wäre, seine Werke zu verkaufen, um sein
tägliches Brot bezahlen zu können — war die Party in vollem Gange. Die Gäste
waren schon halb blau. Das Buffet brach fast unter ihrem Ansturm zusammen.
Radio und Grammophon plärrten gegeneinander an. Wir waren schon eine ganze
Weile da, als jemand den Lärm übertönte:
    „He, ihr schrägen Vögel, hört der Krach bald
auf?!“
    Alle Blicke richteten sich auf die Tür, von der
der Anpfiff kam. Im Rahmen stand ein leibhaftiger Gammler.
    „Hey, Charlie!“ schrie Demougin, der Hausherr,
zurück. „Sei kein Frosch und mach mit!“
    Elegant schickte Charlie uns alle zum Teufel,
drehte sich um und schlug die Tür hinter sich zu.
    „Lauf hinterher, Suzy!“ rief Demougin. „Möchte
wetten, daß der Jesus seit zwei Tagen nichts mehr auf die Gabel gekriegt hat.“
    „Kommen Sie!“ forderte Suzanne Larcher mich auf.
„Sie werden was Lustiges zu sehen bekommen.“
    Ich gehorchte ihr. Doch ich bekam nichts
Lustiges zu sehen, ich sah überhaupt nichts. Charlie hauste am Ende des Flures.
Er hatte sich verbarrikadiert und antwortete auf unser Klopfen und Rufen nur
mit verschiedenen Beleidigungen und Flüchen. Wir gaben es auf und gingen zurück
in Demougins Atelier, um den Mißerfolg unserer Mission einzugestehen. Keiner
der Gäste schien sonderlich betrübt.
    „Dann wird er sich eben mit seinen Bildchen
vergnügen müssen“, sagte jemand.
    Wissendes Gelächter war die Antwort.
    „Bildchen?“ fragte ich.
    „Das war das Lustige, was ich Ihnen versprochen
hatte“, erklärte Suzanne und reichte mir ein Glas. „Ich hätte Ihnen gerne die
Fotos an seinen Wänden gezeigt. Aber vielleicht ist es besser, daß Sie nichts
gesehen haben. Ist wirklich nicht barmherzig, und lustig ist es schon gar
nicht.“
    „Fotos?“
    „Von Schauspielerinnen. Theater und Film. Mit
erstaunlichen Widmungen!“
    „Im Ernst? Kaum zu glauben, bei seinem Aufzug!
Hat man ihn verkackeiert, oder hat er die Widmungen selbst draufgeschrieben?“
    „Genau das, er widmet sie sich selbst.“
    „Was?“ Beinahe hätte ich mich verschluckt. „Ich
wollte eigentlich nur ‘n Witz machen.“
    „Und haben den Nagel auf den Kopf getroffen...
Scheiße!“
    Sie starrte auf ihr leeres Glas.
    „Ich muß noch was zu trinken haben... Nein,
dieser Charlie! Wie kann man sich nur so verkriechen? Er ist so alleine, daß er
sich selbst ‘ne Party geben muß. Aber verdammt nochmal! Wenn er merkt, daß er
sich selbst bescheißt, dann muß er sich doch nur noch um so einsamer fühlen!
Ich kann Ihnen sagen, Verrückte gibt’s! Und Charlie ist alles andere als
lustig.“
    ‘n Fall für ‘n Psychiater ist der“, näselte
jemand neben uns, ein langer Kerl mit Fidel-Castro-Bart und einem Gesicht, das
sich zum Unterschreiben von Manifesten eignete. „Hallo, Suz!“
    Er musterte sie und verzog das Gesicht.
    „Du hast ‘ne Hose an? Das ist aber nicht nett
von dir. Wir werden noch ‘n Komplex kriegen... du

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