Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Schatten von Notre Dame

Titel: Im Schatten von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
Vom Netzwerk:
finden. Und ebenso wenig werdet Ihr an diesem Tisch einen Mörder überführen. Im Gegenteil, ich wünschte, Odon wäre noch am Leben!«

    Falcone schob meine Hand mit der Waffe zurück. »Ereifert Euch nicht, Monsieur Sauveur. Ich sehe schon, mit diesem Dolch ist Odon gewiß nicht getötet worden.«
    Ich verstand die Anspielung wohl. »Ihr meint, ich könnte eine andere Waffe benutzt haben? Wollt Ihr mich durchsuchen?«
    Kaum hatte ich das ausgesprochen, hätte ich mich am liebsten ge-ohrfeigt. Was, wenn Falcone den falschen Bart unter meinem Wams fand? Wie sollte ich das erklären? Sowenig ich das wußte, eins wußte ich genau: Falcone würde denken, ich hätte mich mit falschem Bart an Odon herangeschlichen, um ihn zu meucheln.
    »Mit der Mordwaffe wärt Ihr kaum zur Kathedrale zurückgekehrt«, sagte der Leutnant und winkte ab.
    »Wenn Ihr das denkt, wozu dann die Geschichte mit dem Braten?«
    »Reine Routine, Monsieur. Verzeiht einem eingefleischten Polizisten seine kleinen Marotten. Außerdem habe ich wirklich Appetit.« Falcone bis herzhaft ins Fleisch und spülte mit einem Schluck Wein nach.
    Ich fand seine Worte über den Zustand meiner Klinge bestätigt und mußte mich tatsächlich anstrengen, um eine Scheibe von dem Braten zu schneiden. Das Fleisch war saftig und gut gewürzt, der Morillon kräftig. Falcone und ich tafelten, als gäbe es zwischen uns kein Misstrauen und keine Verdächtigungen.
    »Schön, daß es dem Falken von Paris in meinem Hause schmeckt.
    Ihr wart lang nicht mehr hier zu Gast, Leutnant.«
    Die Frau, die an unseren Tisch trat, mußte sich in der vol en Schenke nicht erst Platz schaffen. Wer nicht freiwil ig und respektvoll zur Seite wich, wurde von den gewaltigen Fleischmassen, die das blau leuchtende Kleid bei jeder Bewegung zu sprengen drohten, einfach wegge-drückt. Das aufgetürmte Haar war in einer seltsamen Mischung aus Rot und Braun gefärbt. Die fette Frau war fortgeschrittenen, wenn auch aufgrund ihrer aufgeschwemmten Züge nicht genau bestimmbaren Alters. Aus ihrem Ausschnitt lugten zwei rosige Fleischberge von gewaltigen Ausmaßen, aus deren Mitte ein bunter Blumenstrauß wuchs. Kein Zweifel, dies war die Dicke Margot, al erdings um einige Jahrzehnte älter als ihr verblasstes Abbild auf dem Schild am Eingang.

    Das überaus üppige Weib, eine ganze Ansammlung runder, praller Os, setzte sich an unseren Tisch und taxierte mich mit rotgeäderten Augen, als sei ich ein Rind und sie eine Viehaufkäuferin. Endlich wandte sie sich dem Leutnant zu und sagte mit einem sündigen Au-genaufschlag: »Ein hübscher Bursche, Euer neuer Spürhund. Er könn-te nur, wie Ihr selbst, ein bißchen mehr Fleisch auf den Rippen vertragen.«
    »Wir können nicht alle so gut bestückt sein wie Ihr, Margot.« Falcone grinste und starrte auf ihren mächtigen Busen. »Außerdem irrt Ihr Euch in Monsieur Sauveur. Er gehört nicht zum Châtelet, er ist der neue Kopist von Dom Claude Frollo. Mit seiner Fertigkeit hätte er in der Fälscherzunft der Coquille gute Aussichten gehabt, nicht wahr?«
    Margot nahm einen gehörigen Schluck Wein, indem sie einfach den Krug an die Lippen setzte. Dann stieß sie rülpsend hervor: »Warum fangt Ihr immer wieder mit den alten Geschichten an, Leutnant? Gibt’s keine neuen Fälle, die Euch beschäftigen? Habt Ihr den Schnitter von Notre-Dame schon gefaßt?«
    »Wen?«
    »Na, den Kerl, der dem Mesner ein blutiges Halsband verschafft hat.«
    »Das hat sich gerade erst ereignet. Wieso wisst Ihr schon davon, Margot?«
    Sie lachte so heftig, daß ihre rosigen Hügel wie muntere Frösche hüpften und jeden Augenblick aus dem dreieckigen Ausschnitt zu springen drohten. »Margot weiß immer, was sich in Paris ereignet. Ist das nicht der Grund, weshalb Ihr so oft den Weg zu mir findet, Hüter des Gesetzes?«
    Falcone nickte. »Schnitter habt Ihr den Mörder also getauft.«
    »Nicht ich, sondern meine Freunde hier.« Ihre säulendicken Arme beschrieben einen Kreis, als wollte sie sämtliche Besucher der Schenke an ihren Busen drücken, wo zweifellos genügend Platz war.
    »Kennt Ihr das?« fragte Falcone, legte die Spielkarte aus Odons Mund auf den Tisch und strich sie glatt.
    »Die Stabzehn, natürlich kenn ich die. Meint Ihr, in den Schenken von Paris spielt man keine Karten mehr, bloß weil die hohen Herren vom Châtelet das Glücksspiel verbieten? Wann hat das jemals jemanden gestört?«
    »Mich würde es auch nicht stören, würden diese Karten nur für das Glücksspiel

Weitere Kostenlose Bücher