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Im Schattenreich des Dr. Mubase

Im Schattenreich des Dr. Mubase

Titel: Im Schattenreich des Dr. Mubase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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und
Diktiergeräte standen darauf. Außerdem war er vollgepackt mit allem, was ein
Schreibtisch verträgt.
    Befremdlich wirkte nur das ausgestopfte
Tier, das neben der grün-beschirmten Tischlampe Männchen machte.
    Tim sah zweimal hin. Aber das
ausgestopfte Tier war und blieb eine Ratte, eine besonders große Wanderratte
mit graubraunem Fell.
    „Wollt ihr zu mir?“ fragte Dr. Mubase.
Es klang barsch.
    „Zu Ihnen“, nickte Tim. „Guten Tag! Ich
habe gestern abend mit Ihnen telefoniert, Herr Doktor. Wegen der Anmeldung
Willi Sauerlich.“
    Mubase lehnte sich zurück. „Du bist...
der Herr Carsten?“
    „Peter Carsten. Richtig. Aber noch kein
Herr, wie Sie sehen.“
    „Deine Stimme am Telefon klang, als
wärst du erwachsen.“
    Das sollte es ja auch, dachte Tim und
verkniff sich ein Grinsen.
    „Tatsächlich? Dessen war ich mir gar
nicht bewußt. Dies sind meine Freunde...“
    Er stellte sie vor. Auf Oskar ging er
nicht ein. Der saß auf dem Teppich und kratzte sich hinter dem Ohr.
    In Mubases Gesicht rührte sich nichts.
Kein Lächeln. Kein Ausdruck, wie auch immer.
    Er mochte Anfang 50 sein. Ein
gewaltiger Schädel mit spiegelnder, eiförmiger Glatze. Durch die randlose
Brille starrten helle, kalte Augen. Ein Ohr war verkrüppelt, jedenfalls
zusammengedreht wie ein Knäuel. Das Gesicht wirkte teigig, trotz der massigen
Knochen als Unterbau.
    „Das Ganze scheint ein Mißverständnis
zu sein“, sagte Mubase. „Kinder und Jugendliche haben hier nichts zu suchen.“
     

     
    „Aber Willi muß dringend abnehmen“,
mischte Gaby sich ein. „Und Ihrer Klinik, Herr Doktor, eilt ein so großartiger
Ruf voraus, daß wir dachten, hier ist er richtig, der Willi.“
    „Hier
ist er falsch“, erwiderte der Chefarzt. „Ich nehme niemanden auf, der nicht
volljährig ist.“
    „Und Sie machen nie eine Ausnahme?“
    „Nie.“
    „Täte ich auch nicht“, flüsterte Klößchen.
„Grundsätzen muß man treu bleiben.“
    Oskar hatte die ausgestopfte Ratte
entdeckt und begann zu knurren.
    „Pst!“ zischte Mubase. „Bringt den Hund
zur Ruhe! Wehe, er bellt. Meine Patienten haben Mittagsrast mit Bett- und
Schlaf-Pflicht. Also Ruhe!“
    Gaby faßte ihrem Vierbeiner auf die
Schnauze.
    Scheibenkleister! dachte Tim. Am
Telefon konnte ich so tun, als sei ich volljährig und Willi ein medizinisch
interessanter Fall fortgeschrittener Korpulenz ( Beleibtheit ). Offenbar
hat dieser Medizinmann angenommen, ich würde meinen Onkel einliefern. Aber
jetzt geht nichts mehr. Willi hüpft innerlich im Kreis. Die Herbstferien sind
gerettet, aber was sich hier drogenmäßig abspielt, das bleibt uns verborgen.
    „Ihr Maskottchen“, sagte Tim, „verunsichert
unseren Oskar. Sehr hübsch, Ihr Vieh! Auf meinem Arbeitstisch sitzt ein
Marienkäfer — groß wie eine Buttersemmel. Aber natürlich aus Stoff.“
    „Das ist Hugo“, erklärte Mubase. „Ich
habe ihn selbst geschossen, nachdem er hier wochenlang sein Unwesen trieb. Seid
leise, wenn ihr rausgeht. Und meldet euch ab beim Portier.“
    Das war’s, dachte Tim ärgerlich. Der
totale Reinfall. Und null Resultat.
    Es klopfte.
    „Ja!“ brüllte Mubase.
    Ein Mann im weißen Krankenpfleger- oder
Masseur-Anzug kam herein.
    Nur ein flüchtiger Blick galt der TKKG-Bande.
    „Herr Doktor, der Patient von Nr. 26
hat... Es sieht aus wie eine Koronar-Thrombose (Herzanfall) .“
    „Soll Gallstein machen. Das heißt, ich
komme gleich nach.“
    Tim, Gaby, Karl und Klößchen starrten
den Pfleger an.
    Es war der schwarze Stiftekopf mit dem
roten Motorrad, Clarissa Hoppes gestriger Zwei-Minuten-Besucher.
    Tim räusperte sich. Sofort
verscheuchten Gaby und Karl die Verblüffung aus ihren Mienen.
    Nur Klößchen staunte noch eine Weile — bis
Karl ihm auf den Fuß trat.
    „Worauf wartet ihr?“ Mubase kam, groß
und massig, hinter seinem Schreibtisch hervor.
    Der Stiftekopf war schon draußen.
    „Also dann auf Wiedersehen“, sagte Tim.
„Sollten wir im späteren Leben — ich meine, wenn wir volljährig sind — mal
Gewichtsprobleme haben, kommen wir auf Sie zurück. Hoffentlich haben den Hugo
dann nicht die Motten gefressen. Aber Sie können sich ja einen neuen schießen.
Ratten gibt’s überall.“
    Sie marschierten hinaus, ohne daß
Mubase sich anschloß.
    Der Portier in der Halle telefonierte,
deckte aber kurz die Hand über die Muschel.
    „In 20 Sekunden öffne ich das Tor“,
meinte er. „Beeilt euch.“
    Vom See her wehte ein frischer, nach
Fisch duftender Wind.
    „Beeilt euch!“

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