Im Schloss der Traeume
Mit Leone allein zu essen, so schätzte sie, würde alles andere als schön sein!
Natürlich hatte sie bei der erstbesten Gelegenheit den Arm zurückgezogen. Vorher allerdings war ihr durch die intime Nähe abwechselnd heiß und kalt geworden.
„Ich würde lieber allein gehen", hatte sie kurz angebunden erklärt.
Im Aufzug - Leones Wohnung befand sich im vierten Stock -war ihr noch unbehaglicher zumute gewesen. Sie hatte starr auf die Türen geblickt, dabei geflissentlich sein amüsiertes Lächeln ignoriert, und war praktisch hinausgestürmt, sobald die Türen sich geöffnet hatten. Danach war sie ihm in gebührendem Abstand gefolgt. Die orientalische Sitte, dass die Frau sechs Schritte hinter dem Mann gehen musste, war ihrer Meinung nach gar nicht so schlecht. So konnte die Frau den Mann im Auge behalten.
Carrie hatte Leone jedenfalls genau beobachtet. Zuerst hatten sie sein Wohnzimmer betreten, einen sehr schönen, ganz in Bernsteinfarben und Dunkelgrün gehalten Raum, und waren von dort durch einen breiten Säulengang in ein kleines Esszimmer gelangt.
Der Esstisch, auf dem eine Decke aus feinstem Leinen lag und der mit einer Schale Rosen dekoriert war, stand vor den geöffneten Balkontüren. Er war für zwei Personen gedeckt, mit funkelnden Kristallgläsern und schimmerndem Silber.
Das Essen hatte köstlich geschmeckt, und Silvestro servierte ihnen gerade den Kaffee.
Carrie tupfte sich die Lippen mit der Serviette ab. Das Essen war hervorragend gewesen, aber es fehlte etwas. Der Herzog hatte sich bisher nicht blicken lassen.
Sie schaute zu Leone, der sich als perfekter Gastgeber erwiesen und ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen hatte. Er hatte ihr die Schüsseln gereicht und Wein nachgeschenkt; und dabei lockere Konversation gemacht. Unter anderem hatte er sie aufgefordert, ihm etwas über ihr Leben und ihre Arbeit in New York zu erzählen.
Allerdings hatte es nichts genützt, denn sie war nach wie vor sehr angespannt. Ihm gegenüber hatte sie sich jedoch nichts anmerken lassen.
Obwohl Silvestro ständig kam und ging, war die Atmosphäre für ihren Geschmack viel zu intim. Vielleicht lag es daran, dass Leones Schlafzimmer nebenan war. Er hatte es zwar nicht gesagt, aber" Carrie vermutete es. Ihre Phantasie ging mit ihr durch, es war wirklich hoffnungslos! Selbst wenn Leone weit von ihr entfernt war, konnte sie, Carrie, an nichts anderes denken als an Sex.
Momentan jedoch beschäftigte sie etwas anderes, und das beunruhigte sie zunehmend.
„Glauben Sie, dass Ihr Bruder noch kommt?" fragte sie zum wiederholten ma l.
Diesmal wollte sie eine klare Antwort haben. „Es ist schon ziemlich spät. Vielleicht sollten Sie noch einmal seine Sekretärin anrufen."
Als sie das letzte Mal gefragt hatte, hatte Leone gesagt, sie solle sich keine Sorgen machen. Und als sie sich erkund igt hatte, ob er bereits alles mit Damiano besprochen hatte, hatte er ihr versichert, alles sei in bester Ordnung. Allmählich begann sie allerdings daran zu zweifeln, denn sie hatte das Gefühl, dass alles nur leere Versprechungen waren. Und das machte alles um so schlimmer.
Sie beobachtete, wie er einen Blick auf seine Armbanduhr warf. Erst dann bemerkte sie, dass sie ihre Kaffeetasse krampfhaft festhielt. „Vielleicht sollten Sie sich vergewissern, dass er Ihre Nachricht erhalten hat", beharrte sie.
Falls Leone. Merkte, wie nervös sie war, zeigte er es zumindest nicht.
Er zuckte die Schultern. „Sie haben recht, es ist schon ziemlich spät. Aber es hat keinen Sinn, jetzt seine Sekretärin anzurufen. Wir müssen das Treffen wohl verschieben."
„Verschieben?" Wütend funkelte sie Leone an. Hieß das, sie hatte alles umsonst auf sich genommen? Am liebsten hätte sie Leone mit bloßen Händen erwürgt.
Allmählich festigte sich in ihr der Verdacht, dass Leone überhaupt kein Treffen mit seinem Bruder vereinbart, sondern sie lediglich hingehalten hatte.
Es passte alles zusammen. Nun war ihr auch klar, warum Caterina nichts davon gewusst und er in ihrer Gegenwart nicht davon gesprochen hatte. Auch den Anruf hatte er bloß vorgetäuscht: Je länger Carrie darüber nachdachte, desto sicherer wurde sie.
Und jetzt behauptete er seelenruhig, sie müssten das Treffen verschieben. Was für ein geschicktes Ausweichmanöver! Erwartete er tatsächlich, dass sie sieh das gefallen ließ?
„Verschieben?" wiederholte sie, während sie ihre Kaffeetasse lautstark auf die Untertasse stellte. „Haben Sie wirklich mit Ihrem Bruder
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