Im Schloss des spanischen Grafen
das Bild in seiner Tasche verschwinden. „Kümmre dich um deinen eigenen Kram. Sonst komme ich mit ein paar von meinen Kumpeln zurück, und dann können wir noch viel mehr mitnehmen.“
„Sollte hier je etwas gestohlen werden, werde ich dich sofort als Verdächtigen nennen.“
Stephen Grey lachte nur abfällig. „Wirst du nicht. Im Gegenteil, du wirst alles tun, um deinem Ehemann weiterhin Sand in die Augen zu streuen. Das hast du schließlich von Anfang an gemacht.“
„Stimmt, und es war ein Fehler, das ist mir jetzt klar“, gab sie zu. „Gib mir die Miniatur zurück, bevor ich die Polizei rufe.“
„Das wagst du nicht“, behauptete er dreist.
Er würde womöglich recht behalten, und so entschied Jemima sich für die andere Möglichkeit – sie steckte die Hand in seine Tasche, um sich die Miniatur zurückzuholen.
Wie aus heiterem Himmel schlug er mit der geballten Faust gegen ihre Schulter, um sie wegzustoßen. Durch die Heftigkeit des Schlags konnte sie sich nicht mehr auf den Füßen halten. Sie landete auf dem niedrigen Kaffeetisch, rutschte zu Boden und schlug mit dem Kopf gegen einen Sesselfuß. Einen Moment lang blieb sie benommen liegen und hörte nur noch, wie die Tür aufgestoßen wurde und jemand laut auf Spanisch zu fluchen begann.
Alejandro! Keine Sekunde später war er bei ihr, hob sie vorsichtig vom Boden auf und legte sie behutsam auf das Sofa. Besorgt fragte er sie, was passiert sei.
„Er ist mein Vater, er hat mich bedroht.“ Mehr als flüstern konnte sie nicht, in ihrem Kopf drehte sich alles. Und sie versuchte auch nicht mehr, die hässliche Szene zu beschönigen. „Er hat eines von den Miniaturgemälden in seiner Tasche verschwinden lassen. Als ich es von ihm zurückholen wollte, hat er mich geschlagen.“
„He, immer schön langsam“, hob ihr Vater knurrend an, doch Alejandro stand schon vor ihm und streckte die Hand aus.
„Das Bild.“ Mehr sagte er nicht.
Mit böse gerunzelter Stirn griff der ältere Mann in seine Tasche und schlug dann das Bild auf Alejandros Handfläche. Jemima sah zu, wie ihr Mann das kostbare kleine Gemälde wieder an seinen Platz über dem Kamin hing. Ihr Vater lehnte sich leicht vor und flüsterte Alejandro etwas ins Ohr, und dann verfolgte sie blinzelnd mit, wie Alejandro herumschwang und ihrem Vater einen wuchtigen Kinnhaken versetzte.
Stephen Grey strauchelte grunzend zurück, während Alejandro die Salontür aufriss und Jemimas Vater zu verschwinden befahl, bevor er die Polizei informieren würde. Auf einen Wink von Alejandro hakten die beiden Weinbergarbeiter, die vor der Tür gewartet hatten, Stephen Grey unsanft unter und eskortierten ihn zum Haus hinaus.
„Woher wusstest du …?“, fragte Jemima mit bebender Stimme.
„Maria hat mich verständigt. Sie mochte den Mann auf Anhieb nicht und war auch nicht begeistert über die Art, wie er sich den Zutritt ins Haus erzwungen hat. Sie befürchtete, dass es Ärger geben könnte.“
„Jetzt wirst du mir nie verzeihen, weil ich nicht ehrlich zu dir war“, murmelte sie. Alejandro hatte sich neben sie gesetzt und untersuchte vorsichtig die Schwellung an ihrem Kopf. „Als wir uns kennenlernten, hatte ich schon lange keinen Kontakt mehr zu ihm, deshalb sagte ich nur, er sei tot, anstatt lange erklären zu müssen.“
Hörbar atmete Alejandro aus. „Ich kann gut verstehen, warum.“
„Sein Haftstrafenregister ist länger als dein Arm“, bekannte sie, und dann gab sie es auf, nach den passenden Worten zu suchen, und erzählte die ganze Geschichte ihrer traurigen Kindheit – von der Gewalt des Vaters, von seinen Gefängnisaufenthalten, von ihrer alkoholkranken Mutter und der deprimierenden Atmosphäre in dem Zuhause, in dem sie aufgewachsen war.
„Dass du damals, als wir uns kennenlernten, gearbeitet und auf eigenen Beinen gestanden hast, sagt mehr über deinen Charakter aus, als dass du zufällig in diese Familie hineingeboren wurdest“, versicherte er ihr überzeugt. „Ich wusste immer, dass du mir gewisse Dinge verschwiegen hast, und ich wünschte, ich hätte eher nachgefragt. Aber es schien mir nie wichtig, weil ich dich immer als meine Frau wollte, ganz gleich, wie dein familiärer Hintergrund aussehen mochte.“
Ihre Augen schwammen in Tränen, als sie ihn ansah. „Wirklich?“
„Ja, wirklich. Ich traf dich, und ich war verloren. Erinnerst du dich noch an unsere gemeinsamen Wochenenden in der Wohnung, die ich in der Nähe des Hotels gemietet hatte? Die Erinnerung daran
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