Im Schloss unserer Liebe
Mahlzeiten gehasst.“
„Matty auch“, sagte Laura. „Die abendlichen Essen waren die einzigen Gelegenheiten, bei denen Kass sich mit seinem Sohn beschäftigte. Meist fragte er das Kind nach seinen Lernfortschritten aus. Deshalb haben wir nach Kass’ Tod den Speisesaal abgeschlossen. Aber wenn Sie andere Pläne haben, Kelly …“
„Die Entscheidung darüber würde ich gerne dem Prinzregenten überlassen.“
„Mir gefällt es hier.“ Rafael breitete die Arme aus. „Obwohl mir meine Küche in New York natürlich lieber wäre. Aber da Sie mich erpresst haben, hierzubleiben …“
„Lass diesen Unsinn“, schimpfte Laura. „Und rede Kelly keine Schuldgefühle ein. Du weißt seit Kass’ Tod, dass du hierhergehörst.“
„Dann möchten Sie also, dass Ihr Sohn in Alp de Ciel bleibt?“, fragte Kelly.
Rafael legte seiner Mutter ein fertiges Sandwich auf den Teller. Laura lächelte spöttisch. „Allein schon deshalb, weil er eine so hervorragende Küchenhilfe ist, wird er hier gebraucht.“
„Wird Anna seine Sandwiches nicht vermissen?“ Die Frage war Kelly herausgerutscht. Laura wurde ernst. „Ich weiß nicht einmal, ob sie die zu schätzen weiß.“
„Mutter!“, drohte Rafael.
„Hast du Anna schon gesagt, dass du nach Alp de Ciel zurückkehrst?“
„Noch nicht.“
„Feigling.“
„Ja, das bin ich.“ Er wandte sich wieder der Arbeit zu. „Anna gegenüber wärst sogar du feige, Mutter. Kelly, möchten Sie mehr als zwei Sandwiches?“
Das Abendessen verlief in entspannter Atmosphäre. Etwas Ähnliches hatte Kelly im Schloss früher nicht erlebt. Sie aß drei Sandwiches und eine große Schale frischer Erdbeeren. Danach kochte Rafael Kaffee in einer türkischen Mokkakanne.
Er schmeckte herrlich, und Kelly fühlte sich wohl. Sie sprach zwar nicht viel, hörte aber mit Interesse zu, was Mutter und Sohn sich zu erzählen hatten.
„Ich muss jetzt aufbrechen“, sagte Laura schließlich. „Um acht Uhr empfängt Rafael eine Delegation. Bis dahin will ich verschwunden sein.“
„Was für eine Delegation?“, fragte Kelly.
„Eine Art Begrüßungskomitee“, antwortete Rafael, „bestehend aus dem Bürgermeister und einigen Honoratioren der Stadt. In Wirklichkeit möchten sie mit mir über die verheerende Rodung und andere Missstände sprechen. Crater wollten sie nicht mit dabeihaben. Sie verbinden mit ihm die schwierigen alten Zeiten. Das heißt, ich muss mich ihnen alleine stellen.“
„Du schaffst das schon“, meinte Laura, sah aber besorgt aus.
Ein familiäres Abendessen in der Küche durfte nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Familie Staatspflichten zu erfüllen hatte.
„Sollten wir nicht abwaschen?“, fragte Kelly aus reiner Verlegenheit.
Rafael schüttelte den Kopf. „Abwaschen und mich mit Politik herumschlagen?“ Er lachte auf. „Das überfordert mich. Ich nutze das Privileg des Prinzregenten und überlasse den Abwasch dem Personal.“
„Bei der Erziehung habe ich wohl versagt“, stöhnte Laura.
„Noch eine Klage, Mutter, und du musst ohne Begleitung nach Hause gehen“, drohte Rafael. Dann lächelte er Kelly an. „Zum Witwensitz ist es ein schöner Abendspaziergang.“
„Macht bitte keine Umstände. Es ist ja nicht weit.“
„Denk an die Gespenster, die dir auflauern. Die Geister all der verstorbenen fürstlichen Vorfahren.“
„Dein Vater ist auch darunter. Ich brauche also keine Angst zu haben.“ Laura lächelte und ergriff die ausgestreckte Hand ihres Sohnes, um sich beim Aufstehen helfen zu lassen. „Mein Mann starb, als Rafael fünfzehn war. Deshalb kann ich nicht fortgehen. Hier bin ich meinem Mann nahe.“
„Du bist romantisch“, sagte Rafael.
„Du etwa nicht?“
„Was ist mit Ihnen, Kelly? Haben Sie Lust, mir zu helfen, meine Mutter vor Geistern zu beschützen und sicher nach Hause zu bringen?“
„Wo sind Sie eigentlich untergebracht?“, antwortete Kelly mit einer Gegenfrage.
Rafael verzog spöttisch die Lippen. „In den fürstlichen Gemächern. Dachkammern und Witwenhaus sind ja leider belegt.“
Er lebte in Kass’ Räumen. Ihr war nie erlaubt worden, sie zu betreten. Aber manchmal war sie an den offenen Türen vorbeigegangen. So eine Verschwendung hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nie gesehen.
„Es wird Ihnen gefallen“, sagte sie.
Rafael sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren.
„Jedenfalls haben Sie dort genügend Platz für Ihr Spielzeug.“
Laura kicherte. „Das stimmt, Rafael. Vielleicht solltest du es
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