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Im Sog der Angst

Im Sog der Angst

Titel: Im Sog der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Volkes durch die Israelis.
    Larsen redete fließend mit einem minimalen Akzent und lächelte trocken, als er die »profunde historische Ironie« vermerkte, dass die Juden, die Opfer der Unterdrückung, die größten Unterdrücker der Welt geworden seien.
    »Wie seltsam und wie traurig«, verkündete Larsen, »dass die Opfer der Nazis die Methoden der Nazis übernommen haben.«
    Zustimmendes Murmeln der Zuhörer. Milos Gesicht war ausdruckslos. Seine Augen wanderten von Larsen zum Publikum und wieder zurück.
    Larsens Vortragsweise blieb gelassen, aber seine Rhetorik war hitzig und unversöhnlich. Jedes Mal, wenn er das Wort »Zionismus« aussprach, bekam sein Blick etwas Unruhiges. Das Publikum begann sich für das Thema zu erwärmen und nickte heftiger.
    Bis auf den kräftigen Kerl in der Pijacke. Seine Hände lagen jetzt auf seinen Knien, und er wiegte sich ganz leicht auf seinem Platz in der ersten Reihe hin und her. Den Kopf hatte er vom Pult abgewandt. Ich konnte sein Gesicht deutlich im Profil sehen. Zusammengebissene Zähne, zugekniffene Augen.
    Milo musterte ihn erneut, und sein Unterkiefer verkrampfte sich ebenfalls.
    Larsen redete noch eine Weile, wies schließlich mit einer ausholenden Handbewegung auf George Issa Qumdis, zog ein Blatt Papier hervor und offerierte Bröckchen aus der akademischen Biographie des Professors. Als er aufhörte, ging Issa Qumdis zum Pult. Gerade als er zu sprechen begann, hörten Milo und ich Schritte hinter uns, und wir drehten uns um.
    Ein Mann war in unseren Gang gekommen. Er war Mitte dreißig, schwarz, gepflegt, sehr groß und trug einen gut geschnittenen grauen Anzug über einem anthrazitfarbenen Hemd, das bis oben zugeknöpft war. Er erblickte uns, lächelte entschuldigend und ging wieder zurück.
    Milo sah zu, wie er rechts um die Ecke bog. Der Schwarze kam nicht wieder, und Milo krümmte und streckte seine Finger.
    Warum war er so angespannt? Es handelte sich um einen Vortrag in einer Buchhandlung. Vielleicht zu viel Arbeit, bei der zu wenig herauskam. Oder sein Instinkt war schärfer als meiner.
    Professor George Issa Qumdis knöpfte sein Jackett auf, strich sein Haar nach hinten, lächelte seine Zuhörer an und machte einen Witz darüber, dass er von seinen Vorlesungen in Harvard an ein Publikum gewohnt sei, das noch nicht in die Pubertät gekommen war. Vereinzelt wurde gelacht. Der Kerl in der Pijacke begann sich wieder hin und her zu wiegen. Mit einer Hand griff er sich an den Hinterkopf und kratzte wie wild.
    Issa Qumdis sagte: »Die Wahrheit - die unveräußerliche Wahrheit - lautet, dass der Zionismus die abstoßendste Doktrin von allen ist, in einer Welt, die voll von bösartigen Dogmen ist. Denken Sie sich den Zionismus als die gefährliche Anämie der modernen Zivilisation.«
    Einer der Gepiercten und Tätowierten kicherte seiner Freundin ins Ohr.
    Issa Qumdis fand sich in sein Thema hinein, brandmarkte Juden, die nach Israel gingen, als »Kriegsverbrecher. Jeder Einzelne von ihnen verdient den Tod.« Pause. »Ich würde sie eigenhändig erschießen.«
    Schweigen.
    Das war selbst für dieses Publikum starker Tobak.
    Issa Qumdis lächelte, strich seine Aufschläge glatt und sagte: »Bin ich jemandem zu nahe getreten? Das hoffe ich doch sehr. Selbstgefälligkeit ist der Feind der Wahrheit, und für einen Wissenschaftler wie mich ist die Wahrheit das Glaubensbekenntnis. Ja, ich spreche vom Dschihad. Einem amerikanischen Dschihad, wo jeder …«
    Er verstummte mit offenem Mund.
    Der Kerl in der Pijacke war aufgesprungen und schrie: »Du Naziarschloch!«, während er an den Knöpfen seiner Jacke fummelte.
    Milo bewegte sich bereits auf ihn zu, als der Pijacken-Mann eine Pistole hervorzog, eine große schwarze Pistole, und direkt auf Issa Qumdis’ Brust schoss.
    Issa Qumdis’ schneeweißes Hemd wurde dunkelrot. Er stand mit weit aufgerissenen Augen da. Fasste sich mit der Hand an die Brust, und als er sie wegnahm, war sein Daumen rot und klebrig.
    »Du erbärmlicher Faschist«, nuschelte er.
    Er stand noch immer. Atmete schnell, aber er atmete. Kein Schwanken und Taumeln. Keine Totenblässe.
    Rote Rinnsale krochen auf seiner Hemdbrust nach unten und beschmutzten die Ränder seines Jacketts.
    Besudelt, aber am Leben und gesund.
    Der Pijacken-Mann schoss erneut, und Issa Qumdis’ Gesicht wurde zu einer purpurroten Maske. Er schrie auf und wischte hektisch an seinem Gesicht herum. Albin Larsen saß verblüfft und unbeweglich auf seinem Stuhl.
    »Oh mein Gott«,

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