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Im Sog der Angst

Im Sog der Angst

Titel: Im Sog der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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alten Asphalts.
    So spät am Nachmittag trieben sich nur vier Kinder auf dem Spielplatz herum. Zwei Jungen, die brüllend umherrannten, ein kleines Mädchen, das unsicher an der Hand seiner Mutter die Treppe zu einer Rutschbahn hochkletterte und hinuntersauste. Immer wieder aufs Neue. Ein anderer Junge, der nachdenklich alleine dasaß und Sand in die Hand nahm und durch seine winzigen Finger rinnen ließ. Drei uniformierte Kindermädchen diskutierten fröhlich und angeregt. Blauhäher kreischten, und Spottdrosseln ahmten sie nach. Der Verkehr auf dem Olympic war gedämpft in der Entfernung zu hören.
    Der ehedem weiße und inzwischen graue zehn Jahre alte Eiswagen stand mit der Schnauze zum Zaun hin. Die Seiten des Lieferwagens waren mit handgemalten Abbildungen süßer Genüsse in den unglaublichsten Farben dekoriert. Eine kunstvoll kalligraphierte Darlegung der Besitzverhältnisse lautete: GLO-GLO EISWAREN, INH.: RAMON HERNANDEZ, COMPTON, KALIFORNIEN.
    Auf dem Beifahrersitz stand ein Kühlbehälter mit Fruchtriegeln, Eisschnitten und Limonaden. Für den Fall, dass jemand fragte.
    Bisher hatte das niemand getan. Die geringe Zahl der Kinder und die späte Stunde taten dem Geschäft Abbruch. Hinzu kam der Standort des Kleinlasters, gerade außer Sicht des Spielplatzes.
    Andererseits stand er nahe genug, um einen guten Blick auf die Picknicktische zu gestatten.
    Auf dem Fahrersitz saß ein Detective namens Sam Diaz, ein technischer Spezialist aus dem Parker Center. Diaz war fünfunddreißig, stämmig, hatte einen Schnurrbart und trug ein weißes Sweatshirt über einer ausgebeulten weißen Malerhose. Ein Münzspender hing an seiner Taille. In seiner Tasche hatte er eine Konzession als Nahrungsmittelverkäufer, die ihn als Ramon Hernandez identifizierte, und eine Brieftasche voll mit kleinen Geldscheinen. Unter dem Sweatshirt trug er eine 9-Millimeter-Pistole in einem Holster.
    In das Armaturenbrett des Lieferwagens waren Abhörgeräte im Wert von vierzigtausend Dollar eingebaut worden, wie sie vom National Geographic für die Aufnahme von Vogelrufen eingesetzt werden. Die Mikrofone waren heruntergedreht, und die Wechselgesänge der Blauhäher und Spottdrosseln waren auf ein Piepen reduziert. Das Gleiche traf auf die Geräusche vom Spielplatz zu: das Quieken schriller Freudenschreie, das Murmeln erwachsener Stimmen.
    Die Geräte waren schwer zu erkennen, wenn man nicht in den Lieferwagen stieg und all die Knöpfe und Leuchtdioden und die Kabel sah, die unter der Trennwand zwischen den Sitzen und dem hinteren Laderaum verliefen. Ein Sprechloch war in die Trennwand geschnitten worden, das von einem jetzt offen stehenden Schieber verdeckt werden konnte. Die Türen des Lieferwagens waren verschlossen, und seine Fenster waren einige Grade dunkler getönt, als gesetzlich erlaubt war. Eine hastig ausgeführte Arbeit, so dass der Plastiküberzug an den Rändern kleine Falten warf. Warum irgendjemand sich die Mühe machen sollte, das Innere eines Eiswagens vor neugierigen Blicken zu bewahren, war die offenkundige Frage, die aber von niemandem gestellt wurde.
    Milo und ich saßen im Laderaum auf zwei Sitzen einer Vinylbank, die man sich aus einem beschlagnahmten Toyota geborgt und am Boden festgeschraubt hatte. Noch eine hastig ausgeführte Arbeit; die steifen Sitzflächen wackelten und quietschen, wenn wir uns bewegten, und stillzusitzen trieb Milo in den Wahnsinn. Er hatte zwei Eisschnitten und ein mit Erdnussstückchen besetztes Eis am Stiel vertilgt, die Verpackungen zusammengeknüllt und in eine Ecke gefeuert. Er murmelte: »Die Völlerei regiert.«
    Hinter dem Lieferwagen lag ein Weg, und dahinter befanden sich die von hohen Zäunen umgebenen Gärten der idyllisch gelegenen Häuser am South Spalding Drive. Durch ein winziges, getöntes, in eine der Hintertüren des Lieferwagens geschnittenes herzförmiges Fenster konnten wir fünfzehn Meter nach Norden oder Süden sehen. Während der Stunde, die wir hier standen, waren acht Wagen vorbeigefahren. Keine Bewegung auf der Seite der Häuser. Das war zu erwarten gewesen; wir waren hier schließlich in Beverly Hills.
    An unserer Seite der Trennwand war ein kleiner Farbfernseher mit einer Digitalanzeige angebracht, die den Ablauf der Zeit notierte. Die Farbgebung war verrutscht: Das strahlende Grün von Beverly Hills war zu einem Olivton verblasst, Baumstämme waren grau, der Himmel gab sich buttergelb.
    Ein Lautsprecher, der an einem Metallhaken auf der rechten Seite des Monitors

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