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Im Sog der Angst

Im Sog der Angst

Titel: Im Sog der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Fall besitzergreifend sein.« Ihre Stimme stockte.
    »Manchmal«, sagte ich, »ist es schön, besessen zu sein.«
    »Es ist … okay. Das verzagte Herzchen tritt jetzt ab. Ich erwarte noch drei Patienten, von denen mich jeder als allwissend wahrnehmen muss. Dann heißt es rüber ins Hospiz.«
    »Hast du denn überhaupt keine freie Zeit?«
    »Leider nein. Das Hospiz veranstaltet ein Abendessen für die Ehrenamtlichen, zu dem jeder was mitbringt, also werde ich dort essen. Die einzige Atempause habe ich jetzt im Moment, ein Patient hat in letzter Minute abgesagt. Eigentlich sollte ich jetzt meine Berichte schreiben und Leute zurückrufen und nicht dir was vorjammern.«
    »Ich bin in zwanzig Minuten bei dir.«
    »Wie bitte?«
    »Ich komme vorbei. Ich will dich sehen.«
    »Alex, mein nächster Patient steht in vierzig Minuten auf der Matte. Die Fahrt allein wird dich...«<
    »Ich will dich küssen«, sagte ich. »Das wird nicht lange dauern.«
    »Alex, ich weiß zu schätzen, was du vorhast, aber mir geht’s prima; du musst keine Rücksicht auf meine...«<
    »Das tu ich meinetwegen. Ich bin ohnehin gleich in deiner Nähe. Um mit einem Arzt im St. John’s zu reden.« Auch wenn ich noch keinen Termin vereinbart hatte.
    »Baby«, sagte sie. »Ich kann dir versichern, dass meine durch was auch immer geweckten Bedenken verflogen sind.«
    »Ich will dich sehen«, sagte ich.
    Stille.
    »Ally?«
    »Ich will dich auch sehen.«
    Während ich nach Santa Monica fuhr, ließ ich mir Dr. Leonard Singhs Nummer von der Auskunft geben, stellte fest, dass er gerade auf Visite war und in einer Stunde zurück sein würde. Ich sagte seiner Sekretärin, dass ich vorbeikäme, und trennte die Verbindung, bevor sie fragen konnte, warum.
    Als ich vor dem Haus eintraf, in dem Allison ihre Praxis hatte, wartete sie auf dem Bürgersteig; sie trug einen himmelblauen Kaschmirpullover mit Kapuzenkragen und einen langen bordeauxroten Rock, trank etwas aus einem Pappbecher und trat sich gegen den Absatz eines Stiefels. Ihre schwarzen Haare waren mit einer Klammer zusammengesteckt, und sie sah jung und nervös aus.
    Ich schwenkte mit dem Wagen in die Halteverbotszone vor dem Gebäude, und sie stieg auf der Beifahrerseite ein. Von ihrem Becher stiegen Kaffee- und Vanilledüfte in die Luft.
    Ich beugte mich hinüber, nahm ihr Kinn in die hohle Hand und küsste es.
    Sie sagte: »Ich will deine Lippen haben«, und zog mich näher.
    Wir verharrten lange in dieser Haltung. Als wir uns trennten, sagte sie: »Ich habe meine Ansprüche deutlich gemacht. Möchtest du einen Schluck?«
    »Ich steh nicht auf Mädchenkaffee.«
    »Ha.« Sie hat eine sanfte, liebliche Stimme, und bei ihrem Versuch zu knurren musste ich unwillkürlich lächeln. »Das, mein Liebling, ist der urzeitliche Laut des Alphaweibchens.«
    Ich richtete meinen Blick auf den Pappbecher. »Alphaweibchen trinken das?«
    Sie schaute auf die beigefarbene Flüssigkeit hinunter. »Im postfeministischen Zeitalter kann man gleichzeitig mädchenhaft und stark sein.«
    »Okay«, sagte ich. »Was kommt als Nächstes? Du zerrst mich in deine Höhle?«
    »Nur zu gerne.« Sie öffnete die Klammer, schüttelte ihr Haar aus und schob dicke schwarze Strähnen hinter ein Ohr. Ihre Haut war weiß wie Milch, und ich berührte die zarten blauen Adern, die an ihrem Unterkiefer zusammenliefen.
    »Alphaweibchen«, sagte sie, »wem will ich was vormachen? Ich wimmere, und du kommst herbeigeeilt. Mein professioneller Rat lautet, ermutige diese Art von abhängigem Verhalten nicht, Alex.«
    »Und wie lautet dein unprofessioneller Rat?«
    Sie nahm meine Hand. Die Minuten verstrichen zu schnell.
    Sie fragte: »Heißt ›kein schlechter Tag‹, dass ihr Fortschritte im Fall Mary Lou gemacht habt?«
    Ich erzählte ihr von Patty und Franco Gull.
    »Steht Gull wirklich unter Verdacht?«
    »Milo sieht ihn sich wirklich genau an.«
    »Mörderischer Seelenklempner. Ein weiterer PR-Knüller für unseren Beruf.«
    »Du hast mir erzählt, Gull wäre dir glatt vorgekommen. Erinnerst du dich im Zusammenhang mit ihm an noch etwas?«
    Sie dachte nach. »Er machte auf mich einfach den Eindruck, als wäre er sehr imagebewusst. Die Art seines Auftretens, seine Kleidung, seine Frisur. Seine Promiskuität überrascht mich ganz und gar nicht. Er hatte dieses großspurige Gehabe - physisches Selbstvertrauen, wie jemand, der früh Charisma entwickelt hat.«
    »Ich dachte an einen Footballstar auf der High School.«
    »Das würde gut passen«, sagte

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