Im Sog der Sinnlichkeit
unterdrückten Gähnen. Sie hatten sich den Ruinen genähert. Über den verkohlten Balken hing immer noch Brandgeruch. Den geschwärzten Mauerresten mit ihren dunklen Fensterhöhlen haftete etwas Unheimliches an, als würde es an diesem Ort spuken. Die Sonne, die mittlerweile hoch am Himmel stand, konnte dem Bild der Verwüstung das Grauen nicht nehmen. Er hielt sein Pferd an und griff nach dem Zaumzeug der Stute.
Melisande war eine hervorragende Reiterin, und ihr Unmut über seine Einmischung war verständlich. Mit dieser Geste männlicher Überlegenheit wollte er sie absichtlich verärgern. Aber sie riss den Kopf ihrer Stute nicht hoch, unternahm nichts, um sich seinem Zugriff zu entziehen, da sie das Tier nicht erschrecken wollte. „Wenn Sie anhalten wollen, genügt ein Wort“, erklärte sie lediglich ausgesucht höflich, was sie mit Sicherheit einige Überwindung gekostet hatte.
„Ich möchte anhalten.“ Er ließ ihr Pferd los, schwang sich aus dem Sattel und warf die Zügel über den tief hängenden Ast einer alten Eiche. „Wollen wir essen, bevor wir in den Ruinen herumklettern? Ich brauche eine Stärkung.“
Er wollte sie aus dem Sattel heben, aber sie war bereits ohne seine Hilfe vom Pferd geglitten, wie er anerkennend feststellte, allerdings auch mit leisem Bedauern. Mit Sicherheit würde sie seine Hilfe beim Aufsteigen benötigen. Er schalt sich innerlich wegen seines kindischen Wunsches. Er benahm sich wie ein Schuljunge, der auf jede günstige Gelegenheit lauerte, um das Objekt seiner unreifen Begierde anzufassen. Wenn er den Wunsch hatte, Melisande Carstairs zu berühren, sollte er es verdammt noch mal auch tun.
Er löste den Lederriemen, mit dem Korb und Wolldecke am Sattel befestigt waren, und drückte ihr beides in die Hände. „Hier“, erklärte er. „Ich mache einen kleinen Rundgang.“
Sie blickte ihn stirnrunzelnd an. „Und Sie erwarten, dass ich die Tafel für Sie decke?“
„Wer sonst? Nachdem Sie es versäumt haben, eine Begleitperson mitzunehmen.“
„Wenn Sie um Ihren guten Ruf besorgt sind, hätten Sie es vor Beginn unseres Ausflugs sagen sollen.“
„Hätten Sie einen Diener mitgenommen?“
„Natürlich nicht. Aber ich hätte Ihre Verlegenheit genossen.“
Er unterdrückte ein Schmunzeln. Sie war entzückend streitlustig. Im Stillen musste er ihr recht geben, eine fügsame Frau würde ihn tödlich langweilen. Aber er hatte ja nicht die Absicht, viel Zeit mit seiner noch unbekannten Braut zu verbringen.
„Ich bin bald zurück“, sagte er und entfernte sich in Richtung Ruine.
„Unterstehen Sie sich nicht, ohne mich auf Erkundungstour zu gehen!“, rief sie ihm hinterher.
Ohne sich umzudrehen, winkte er ihr zu und setzte seinen Weg fort.
Es ging ihm gar nicht darum, sie zu erzürnen, jedenfalls nicht allzu sehr. Aber in den Trümmern von Kersley Hall lauerten mit Sicherheit Gefahren, und er hatte keine Lust, sie zu retten, wenn ein morscher Balken auf sie herabstürzte. Ein kurzer Erkundungsgang war nötig, auch wenn sie deshalb wütend auf ihn war.
Als er sich kurze Zeit später auf den Rückweg machte, war er verärgert und erleichtert zugleich. Er hatte nicht den geringsten Hinweis auf schändliches Treiben entdeckt, keine Spur menschlicher Anwesenheit. Dieser Ausflug war also völlig sinnlos, und er wollte sie gehörig verspotten. Beim Erreichen der Hügelkuppe bot sich ihm ein idyllisches Bild. Die Decke war im Gras ausgebreitet, darauf das Picknick, und inmitten der Delikatessen ruhte friedlich schlummernd Charity Carstairs. Die Sonnenstrahlen durch das Blätterdach zeichneten flirrend filigrane Kringel aus Licht und Schatten auf ihre Gestalt.
Er verharrte einen langen Moment in ihren Anblick vertieft, unschlüssig über seine Empfindungen. Letzte Nacht hatte er ihre Rundungen zart gestreichelt, ohne sie wirklich zu erforschen. Er stellte sich ihre hübschen prallen Brüste nackt vor. Waren ihre Brustspitzen rosig oder bräunlich? Waren die gekräuselten Löckchen zwischen ihren Schenkeln von ebenso dunklem Blond wie ihr Haar? Welche Laute würde sie beim Höhepunkt von sich geben? Würde sie leise stöhnen oder ihre Lust hinausschreien?
Er setzte sich wieder in Bewegung, fühlte sich plötzlich erschöpft und verfluchte im Stillen Brandon und seine nächtlichen Sauftouren. Wegen ihm hatte er letzte Nacht kaum geschlafen. Und nur seinetwegen hatte er sich auf diese lästige Lady Carstairs und ihre haltlosen Verdächtigungen eingelassen.
Aber wenn er es
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