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Im Sommer der Sturme

Im Sommer der Sturme

Titel: Im Sommer der Sturme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gantt DeVa
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geschworen, seiner Frau ins Grab zu folgen«, flüsterte er so leise, dass Pierre ihn unmöglich verstehen konnte. »Ich bin im Moment sehr verzweifelt, weil ich nicht weiß, was ich tun soll.«
    Charmaine schauderte bei dem Gedanken. »Vielleicht sollte er die Kinder häufiger sehen, damit er begreift, was er aufgibt.«
    »Wollen Sie die Kinder dem wirklich aussetzen?«
    Der Rest der Fahrt verging in nachdenklichem Schweigen.
    Charmaine wusste nicht recht, ob es am allgemeinen Trubel in der Stadt oder an Pierres Übermut lag, dass sich ihre Stimmung hob. Auf jeden Fall verlief der Nachmittag überaus angenehm, während sie über die Holzstege vor den Häusern schlenderten und immer wieder andere Leute begrüßten. Meistens waren es Bekannte von Paul. Zu guter Letzt führte sie ihr Weg auch in den großen Laden, wo Madeline Thompson sie begeistert begrüßte. »Mein Gott, Pierre, wie bist du in nur einem Monat gewachsen!«
    Der kleine Junge kicherte und nahm strahlend einen Pfefferminzlutscher in Empfang.
    »Und wo sind die Mädchen?«
    »Wenn Sie mich fragen, so trauern sie noch immer«, sagte Paul.
    Sofort füllten sich Maddys Augen mit Tränen. »Magst du deinen Schwestern vielleicht auch einen Lutscher mitbringen?«, fragte sie und reichte Pierre das Glas, damit er die Süßigkeiten aussuchen konnte.
    Anschließend sahen sie sich noch ein bisschen im Laden um. Charmaine schlich mehrmals um einen Stoffballen herum und beschloss irgendwann, genügend Stoff für ein Kleid zu kaufen. »Jeannette zeigt in letzter Zeit großes Interesse am Nähen. Vielleicht bekommt Yvette ja auch Lust, wenn ich sie bitte, ein Kleid zu entwerfen.«
    Paul war erleichtert, dass Charmaine sich so aufopfernd um seine Geschwister kümmerte. Er untersagte ihr, den Stoff zu bezahlen, und bat Maddy, die Summe auf die monatliche Rechnung des Herrenhauses zu setzen. Zum Schluss bestand Paul darauf, dass Charmaine noch etwas für sich selbst wählte, aber sie wies das Ansinnen zurück und ermunterte stattdessen Pierre, sich ein Spielzeug auszusuchen. Anschließend verließen sie das Geschäft.
    Sie waren erst etwa zwei Stunden von zu Hause fort, doch als Paul »Wohin jetzt?« fragte, ahnte er die Antwort bereits im Voraus.
    »Am liebsten möchte ich nach Hause und sehen, was die Mädchen treiben.«
    »Für mich sind Sie ein wahres Wunder, Miss Ryan«, sagte er und grinste zum ersten Mal an diesem Tag, dass seine Zähne nur so blitzten. Als sie unschuldig zu ihm aufsah, hätte er nicht übel Lust gehabt, sie mitten im größten Trubel auf den Mund zu küssen. Aber das hätte die zarte Vertrautheit zwischen ihnen gestört, wie er sie in gleichem Maß nur mit Colette geteilt hatte. In der nächsten Sekunde war der leidenschaftliche Augenblick schon wieder verflogen. Paul nahm seinen kleinen Bruder auf den Arm, und zusammen überquerten sie die Straße.
    Sie hatten gerade den Mietstall erreicht, als Buck Mathers sie keuchend einholte. »Sie werden dringend im Hafen gebraucht, Mr. Paul. Es gibt ein großes Problem.«
    Mürrisch schüttelte Paul den Kopf, doch Charmaine rettete die Situation. »Gehen Sie nur, Paul. Mit Kutscher und Wagen werden wir schon nach Hause finden.«
    »Ich bin spätestens zum Abendessen zu Hause«, versprach er und stellte Pierre auf den Boden.
    Charmaine nickte nur und ermunterte ihren Schützling, den beiden Männern nachzuwinken, als sie davoneilten.
    Donnerstag, 11. Mai 1837
    Charmaine rieb sich die schmerzenden Schläfen und ließ sich in den Sessel sinken. Die abendliche Luft war ruhig, kein Geräusch störte die leichte Brise, obgleich die französischen Türen zum benachbarten Raum weit offen standen. Ein Fremder hätte denken können, dass die Mädchen schliefen, doch Charmaine wusste genau, dass zwei Augenpaare in die Dunkelheit starrten.
    Sie hatte nicht so hart mit ihnen umspringen und auch den kleinen Pierre nicht erschrecken wollen, aber die trübe Stimmung der Mädchen und ihre langen Gesichter durfte sie ihnen nicht länger durchgehen lassen. Sie nahmen so gut wie überhaupt nichts zu sich, und das Ergebnis war erschreckend. Inzwischen waren sie so mager wie Colette kurz vor ihrem Tod, und nach allem, was Charmaine an Geflüster aufgeschnappt hatte, eiferten sie dem Beispiel ihres Vaters nach. Man sagte, dass die Zeit alle Wunden heilte, doch bisher hatten weder die Zeit noch unendliche Liebe und Geduld allzu viel bewirkt. Selbst Rose war gegen solch tiefen Kummer machtlos.
    Auch die Liebe unter den Schwestern

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