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Im Sommer der Sturme

Im Sommer der Sturme

Titel: Im Sommer der Sturme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gantt DeVa
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Charmaine an Colette, die nun in der Sicherheit des Himmels angekommen war. Von diesem Moment an schloss sie auch die Zwillinge in ihre Gebete ein, damit die kommenden Wochen ihre Herzen heilten. Letzte Nacht hatten sie im Schlaf nach ihr gerufen – das war ein gutes Zeichen. Sie würde immer für die Kinder da sein, so wie sie es Colette versprochen hatte.
    Als Father Benito St. Giovanni nach vorn trat, stellte Charmaine fest, dass die Schar der Trauernden inzwischen auf beinahe hundert Personen angewachsen war. Offenbar war die gesamte Stadt gekommen. Zumindest hatten alle Arbeiter der Duvoisins den neun Meilen langen Weg zurückgelegt, um Miss Colette die letzte Ehre zu erweisen. Von denen, die im Herrenhaus beschäftigt waren, fehlten nur George und seine Großmutter.
    Als sie an George dachte, fielen ihr wieder Roses Worte ein. »Er muss etwas für Colette erledigen.« Was hatte das zu bedeuten? Charmaine hatte es für klüger erachtet, nicht zu fragen. Doch gestern hatte sie zufällig ein paar geflüsterte Worte zwischen Felicia und Anna mitbekommen. »Er ist nach Virginia gefahren.« Aber warum? Wohl oder übel musste die Antwort bis zu seiner Rückkehr warten.
    Charmaines Blick glitt über die Menschenmenge, aber bis auf Harold Browning und Wade Remmen erkannte sie niemanden. Dann wanderte ihr Blick weiter und blieb schließlich einen Moment lang auf den beiden Männern haften, die sich etwas abseits hielten.
    Frederic Duvoisin mied den großen Kreis der Trauernden. Er stand da, schwer auf seinen schwarzen Stock gestützt, und verschmähte den starken Arm seines Sohnes zu seiner Linken. Sein Herz schien ebenso verschlossen zu sein wie das seiner Töchter. Seit er sich von Colettes Totenbett erhoben hatte, hatte er seine Räume nicht verlassen, und vermutlich würde er nach der Beerdigung auch sofort wieder in sein Gefängnis zurückkehren. Eigentlich hatte Charmaine erwartet, dass er gestern oder wenigstens heute am Morgen zu seinen Kindern kommen würde, um sie zu trösten. Aber sie hatte sich getäuscht. Er sah nicht einmal in ihre Richtung und hielt die Augen unverwandt auf den Sarg seiner Frau gerichtet. Sie war entsetzt, wie schnell er die Kinder aus seinem Kopf verbannt hatte. Das war nicht nur eine schlimme Erfahrung für die Kinder, sondern es würde eines Tages vielleicht sogar auf ihn selbst zurückfallen. Gemeinsames Leid und gemeinsame Trauer konnten heilend wirken. Doch in diesem Fall würde es vermutlich anders kommen. Warum hatte er sich eigentlich von der Kapelle bis hierher auf den Friedhof gequält, wenn er doch am liebsten allein vor sich hinbrütete, dieser entkräftete Mann, dessen Liebe zu seiner Frau Charmaine mehr als nur einmal bezweifelt hatte. Warum hatte er an diesem Morgen seinen Patz neben Colettes Sarg eingenommen? Weil er sie liebte … so wie Colette ihn geliebt hatte .
    Als die Menge nach vorn drängte, um Father Benito besser verstehen zu können, verharrte Frederic mit trockenen Augen weiterhin starr auf seinem Platz. Ganz im Gegensatz zum vergangenen Freitag, als sie Colette besucht und die beiden auf dem Balkon angetroffen hatten. In diesem Moment kam Charmaine ein schrecklicher Gedanke: Colettes Krankheit hatte die beiden wieder zusammengeführt und ihre Entfremdung beendet. Umso tragischer, dass diese Liebe zu spät gekommen war … dass sie in der elften Stunde aufgeflammt war, um schon in der zwölften vernichtet zu werden. Kein Wunder, dass Frederic allein trauern wollte. Vermutlich verfluchte er die ganze Welt, und sich selbst nicht minder. Trotz des warmen Sonnenscheins schauderte Charmaine und fragte sich voll Sorge, wohin dieser Tod den verbitterten Mann noch führen würde. So sehr, wie sie sich vor diesem schweren Tag gefürchtet hatte, so sicher wusste sie, dass ihnen noch viele trostlose Wochen bevorstanden.
    Am nächsten Abend klopfte Paul noch spät an die Tür des Kinderzimmers. Charmaine freute sich, ihn einen Augenblick allein für sich zu haben, und schlüpfte auf den Korridor hinaus.
    »Wie geht es den Kindern?«, flüsterte er.
    »Im Augenblick schlafen sie, aber ich weiß nicht, wie lange.«
    Voller Mitgefühl sah er sie an. »Und wie geht es Ihnen?«
    »Besser jedenfalls als den Mädchen«, murmelte sie.
    »Aber Sie haben geweint.«
    »Um die Kinder. Sie sind am Boden zerstört. Ich weiß nicht, wer mehr durcheinander ist – die Mädchen oder Pierre.« Sie schluckte, und ihre Stimme klang rau. »Er versteht nicht, warum er seine Mutter nicht

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