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Im Sommer der Sturme

Im Sommer der Sturme

Titel: Im Sommer der Sturme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gantt DeVa
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schlimmen Zeit war Frederic sehr trostbedürftig, und mit Sicherheit hungerte er nach der Liebe einer Frau. Heute Nacht würde er die beiden anderen vergessen, die ihm Liebe vorspiegelten und es doch nur auf sein Vermögen abgesehen hatten.
    Mittwoch, 14. Juni 1837
    »Bist du verrückt geworden?«, rief Paul ungläubig. »Du bist verrückt – eine andere Erklärung für diesen Wahnsinn gibt es nicht!«
    Der Tag war alles andere als erfreulich verlaufen. Als Erstes hatte man ihn mitten in der Woche nach Charman tes zurückgerufen, weil es Probleme im Hafen gab, die womöglich die weitere Entwicklung auf Espoir gefährdeten. Bei seiner Ankunft waren nacheinander noch andere Probleme aufgetaucht, eines dringender als das andere. In Georges Abwesenheit vervielfältigten sich diese Probleme, sodass er sie kaum abarbeiten konnte. Als er die Wochen zählte, die sein Freund nun schon fort war, kam er auf mehr als zehn, was ihn maßlos ärgerte. Wie lange dauerte denn eine Reise nach Richmond und zurück? Machte George etwa Ferien? Wie dem auch sei, ihm waren leider die Hände gebunden. Das Letzte, was er zum Abschluss eines solch schweren Tages brauchen konnte und auch gar nicht erwartet hatte, war dieses absurde Gespräch mit seinem Vater. Man hätte sein Schweigen für Nachdenklichkeit halten können, wenn er nicht so aggressiv geschaut und nicht mit den Zähnen geknirscht hätte. Verzweifelt lief Paul im Zimmer auf und ab, aber deswegen verstand er die Gedanken seines Vaters und seine völlig Illoyalität nicht besser.
    In den Monaten vor Weihnachten hätte Paul geschworen, dass es zwischen Colette und seinem Vater nur Misstrauen und Wut gegeben hätte. Doch später, nach seiner Rückkehr aus Europa, hatte er eine Menge erstaunli cher Gefühle miterlebt: offensichtliche Verzweiflung, als Colette dem Tode nahe war, dann Erleichterung und Glück, als sie auf dem Weg der Besserung zu sein schien, und schließlich der unfassbare Kummer nach dem tragischen Ende. Seit Wochen schon verfolgten ihn Colettes Worte: »Er hat mich einmal geliebt … wusstest du das? Er hat mich einmal geliebt.« War diese Liebe vielleicht nie gestorben? Möglich. Wie dem auch sei, Paul konnte die Vergangenheit nicht vergessen und war nach wie vor unsicher. Und heute hatte er auf den Straßen von Charmantes die neuesten Gerüchte vernommen: Ja, er ist auf dem Weg der Besserung … hat das Fasten aufgegeben … natürlich liebt er sie noch, aber er denkt jetzt an die Kinder …
    Paul erinnerte sich, dass das selbstmörderische Fasten seines Vaters Anfang Mai begonnen hatte. Nach seiner Rückkehr von Espoir hatte Rose bestätigt, dass sein Vater den Versuch beendet hatte. Paul war zwar erleichtert, dass die Sache ausgestanden war, und doch hatte er sich geschämt, dass er nicht zu Hause gewesen war und ihm niemand eine Nachricht nach Espoir geschickt hatte. Heute war er überzeugt, dass sein Vater Colette geliebt hatte, sie sogar bis ins Grab geliebt hatte, und zum ersten Mal verstand er Frederics Verbitterung. Das war nicht nur Hass, sondern der Ausdruck eines gebrochenen Herzens.
    Von wegen. Vor wenigen Augenblicken hatte sein Vater erneut eine Kehrtwendung vollzogen und alle diese Überlegungen ad absurdum geführt. Jetzt wollte er Colette nur noch »vergessen«. Genau dieses Wort hatte er gebraucht. Außer den Kindern durfte niemand in seiner Gegenwart ihren Namen aussprechen. Keine Erinnerungen an sie in seinen Räumen und auch keine Gegenstände, die ihr viel bedeutet hatten und die seine Umgebung verunreinigt hätten.
    Nun gut! Das könnte er sogar verstehen. Er könnte auch seinem Vater zuliebe so tun, als hätte es Colette nie gegeben. Aber diese Sache? Niemals! Diesem Unsinn würde er niemals zustimmen! Statt eine so abstoßende Idee zu fördern, wollte er sie lieber auslöschen, bevor sie außer Kontrolle geriet.
    »Ich sage noch einmal, dass du verrückt bist«, stieß Paul hervor. »Ich werde das nicht zulassen.«
    »Zulassen?«, entgegnete Frederic. »Ich bin dein Vater, oder hast du das vergessen?«
    Paul ließ sich in einen Sessel sinken. »Nein, das habe ich nicht vergessen«, murmelte er.
    »Nun gut. Dann kann ich also auf dich zählen, dass du alles Nötige in die Wege leitest?«
    »Nein«, antwortete Paul direkt und wirkte mindestens so unsicher wie sein Vater. »Ich spiele dabei nicht mit.«
    Frederic neigte den Kopf und versuchte in der Miene seines Sohnes zu lesen. Pauls Reaktion hatte ihn überrascht. »Warum stehst du meinem

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