Im Sommer der Sturme
›Vielleicht‹. Ich werde dich glücklich machen, und die traurigen Erinnerungen gehören der Vergangenheit an.«
»Um meiner Kinder willen hoffe ich, dass du recht behältst. Ich habe es so satt, dass mich alle für einen bösen Patriarchen halten.«
Agatha lachte. »Du und böse? Niemals, Frederic! Aber es sollte dich nicht wundern, denn niemand versteht dich so gut wie ich.« Sie strich über seine Brust, und ihr Blick war von Leidenschaft umwölkt. »Komm«, flüsterte sie und zog ihn in seine Räume hinüber, wo sein Bett auf sie wartete.
Sonntag, 2. Juli 1837
Am Sonntag begleitete Paul die Gouvernante und die Kinder zur Messe. Als Charmaine zu ihm aufsah, wurde sie mit einem Zwinkern belohnt, das ihr Herz heftiger klopfen ließ. Sie überlegte, wie lange er dieses Mal wohl auf Charmantes bleiben konnte, aber sie wagte nicht zu fragen, um den wunderbaren Augenblick nicht zu trüben.
Doch der Augenblick hielt ohnehin nicht lange. Nach der Messe verabschiedete sich Paul eilig, während Agatha die Angestellten an der Tür der Kapelle abfing und zu einer Unterredung in einer Stunde in die große Halle bestellte.
»Ich muss einige Aufgaben neu verteilen«, sagte sie nur, aber die unterschwellige Botschaft war deutlich genug, sodass Charmaine sich augenblicklich sorgte. »Das ist für den Augenblick alles«, bemerkte Agatha abschließend, bevor sie sich Father Benito zuwandte, der sie um eine Minute ihrer Zeit gebeten hatte.
Charmaine rief die Kinder zusammen und musste ein kleines Grinsen unterdrücken, als sie hörte, wie sich Agatha über den Priester entrüstete.
»Ich sehe nicht ein, dass ich überhaupt etwas spenden soll«, schimpfte sie.
»Aber, Mrs. Duvoisin.« Father Benito war pikiert. »Mit Ihrer Hochzeit haben Sie die Bande mit der Church of England gelöst und sind zum Katholizismus übergetreten. Als Herrin dieses Hauses reichen Ihre Pflichten weit über diesen Besitz hinaus. Ganz Charmantes baut auf Sie. Als Ehefrau unseres Wohltäters fallen Ihnen die unterschiedlichsten Pflichten zu, was Ihnen bekannt sein dürfte.« Agatha sah Father Benito finster an, doch der Priester lächelte nur milde. »Miss Colette war unsere größte Gönnerin, bis sie so furchtbar krank wurde.«
Charmaine folgte den Kindern durch den Ballsaal, während Agathas Stimme hinter ihr verklang. Jetzt entdeckt die neue Mrs. Duvoisin, dass ein Leben in Luxus auch seinen Preis hat . Sie konnte nur hoffen, dass die wohltätige Arbeit für Agatha möglichst zeitraubend ausfiel.
Eine Stunde später kehrte Charmaine zusammen mit den anderen Angestellten in den Ballsaal zurück und lauschte Agatha Duvoisins diktatorischer Rede. Es dauerte keine fünf Minuten, bis die neue Herrin auch die kleinste Freizügigkeit widerrufen hatte, derer sich die Dienerschaft bis dahin erfreut hatte. Charmaine sah, wie Mrs. Faraday empört den Raum verließ, gefolgt von der erzürnten Fatima Henderson und der am Boden zerstörten Gladys Thornfield. Als Felicia und Anna schmollend davonschlichen, frohlockte sie jedoch ein wenig, weil die beiden von nun an für ihren Lohn auch etwas tun mussten. Mit einem kleinen Lächeln machte sie sich auf den Rückweg ins Foyer, wo Rose sicher schon auf sie wartete.
»Sie scheinen Ihren Spaß zu haben, Miss Ryan.«
Charmaine erwachte aus ihren Gedanken. »Wie bitte?«
»Ich fragte mich gerade, ob Sie meine Anweisungen wohl amüsant finden?«
Charmaines Lächeln erstarb. »Aber nein, Ma’am.«
»Nun gut. Mit Ihnen möchte ich nachher unter vier Augen im Arbeitszimmer sprechen. Ihre Position in diesem Haus muss ebenfalls verändert werden.«
»Verändert?«, fragte Charmaine mit wachsender Panik.
»Wir reden später darüber. Um vier Uhr. Und bitte, Miss Ryan, seien Sie pünktlich.«
Charmaine war ganz und gar nicht wohl in ihrer Haut. Eine private Unterredung versprach Ärger. Selbst Rose konnte ihr das nicht ausreden. Zu gut erinnerte sie sich noch an Frederic Duvoisins Bemerkung vom Tag zuvor. Wenn sie nicht vorsichtig war, musste sie womöglich ihre Sachen packen. Und das würde ihr mindestens ebenso schwerfallen wie den Kindern. Dazu liebte sie die Kleinen einfach zu sehr.
Um halb vier ließ sie ihre Schutzbefohlenen erneut in der Obhut von Rose zurück. Sie wollte überpünktlich sein, um Mrs. Ward erst gar keine Angriffsfläche zu liefern.
In letzter Zeit lief nichts so, wie Paul es geplant hatte. Eilig überquerte er die große Wiese und stürmte mit großen Schritten über die Veranda und ins
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