Im Sommer der Sturme
Änderungen?«
»Er hat zum Beispiel Wade Remmen als Verantwortlichen in der Sägemühle eingesetzt«, erklärte George.
»Wade Remmen?«
»Den kennst du nicht. Er ist erst vor zwei Jahren nach Charmantes gekommen: ehrgeizig, kräftig und von ausgeprägtem Geschäftssinn. Wade Remmen kümmert sich selbstständig um das Holz, sodass sich Paul auf den Tabakanbau konzentrieren kann. Ich bin froh, dass Espoir inzwischen bestens läuft. Sogar wenn Paul auf Charmantes ist, werden auf Espoir neue Anbauflächen kultiviert.«
John hörte genau zu. Dann schnaubte er. »Wenn Paul öfter hier ist, haben wir umso mehr Zeit, um uns in den Haaren zu liegen.«
»Nur wenn du es darauf anlegst«, erwiderte George kühl, der nichts so sehr hasste wie seine Rolle als Schlichter und Friedensstifter.
»Das ist richtig«, entgegnete John. »Aber er will es nicht minder, wenn er sogar den Bau seines Palasts auf die lange Bank schiebt, um Tabak zu pflanzen und sich mit mir auseinanderzusetzen.«
»Ach, John«, schalt George, »denk lieber an die Zeit, als wir damals zu dritt die Insel von morgens bis abends unsicher gemacht haben. Paul ist schließlich dein Bruder, verdammt noch mal!«
John fuhr sich mit der Hand durch sein zerzaustes Haar und schüttelte den Kopf, weil er nicht erklären konnte, was in ihm gärte. »Ich bin in schlechter Stimmung«, murmelte er und kam sich plötzlich ziemlich kindisch vor. »Das verdammte Piano und dieses Gesinge sind schuld daran.«
»Der Brandy ist schuld daran«, berichtigte George.
»Vermutlich.«
»Du solltest das Trinken aufgeben, John. Es tut dir nicht gut. Außerdem fragen die Zwillinge die ganze Zeit nach dir. Sie wollen dich endlich sehen.«
»Ja, ja«, wehrte John ab.
»Warum kommst du nicht heute Abend einfach zum Dinner nach unten?«, schlug George vor. »Ich komme auch. Meine Großmutter würde dich auch gern sehen. Sie fragt ständig nach dir.«
John überlegte einen Augenblick lang und nickte schließlich. »Mal sehen. Vielleicht.«
»Gut«, sagte George. »Ich muss weiter. Zwischen jetzt und nachher gibt es noch jede Menge zu tun.«
»Lass dich nicht aufhalten, George. Ich will nicht daran schuld sein, wenn Paul dir wegen mangelnder Leistung das Gehalt kürzt.«
George lachte in sich hinein und ging über die Veranda ins Haus. Er war gerade mit Paul vom Hafen zurückgekommen. Am besten, er sagte Bescheid, dass John möglicherweise zum Dinner kam. Nicht dass er bedauerte, den Freund aus seiner Einsamkeit herausgelockt zu haben. Aber dennoch, der Mann war betrunken und verbittert. Eine gefährliche Mischung, aus der leicht ein Feuerwerk entstehen könnte.
Paul saß am Küchentisch und aß ein Hühnerbein und eine dicke Scheibe Brot. »Ich habe John für heute Abend zum Dinner eingeladen«, sagte er und nickte Fatima zu, als sie ein Glas Wasser vor ihn auf den Tisch stellte.
Paul hustete. Dann schluckte er und starrte George feindselig an.
»Ich wollte dir nur Bescheid sagen.«
»Demnach gehe ich davon aus, dass er deine freundliche Einladung auch angenommen hat?«, fragte Paul bissig.
»Ich denke schon.«
»Na wunderbar, vielen Dank, George – im Namen von uns allen. Ich bin sicher, dass dieses Dinner sehr erfreulich wird.« Er fuchtelte George mit der Brotscheibe unter der Nase herum, bevor er hinausging.
Aber George hielt ihn auf. »Sei ganz ruhig, Paul. John ist schließlich dein Bruder. Er leckt nur seine Wunden, und diese Wunden sind tief. Ein bisschen Mitgefühl täte ihm sicher gut.«
»Diese Wunden, wie du sie nennst, hat er sich selbst zugefügt.«
»Das mag sein, aber deswegen schmerzen sie trotzdem.«
Paul sah zu Fatima Henderson hinüber, die sich mit dem Schürzenzipfel die Augen trocknete. Im nächsten Moment machte er auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum.
Er war tief in Gedanken versunken, als plötzlich die Klänge des Pianos an sein Ohr drangen. In seiner Eile hatte er beim Nachhausekommen die Musik gar nicht wahrgenommen. Doch jetzt konnte er sich nichts Schöneres vorstellen.
Charmaine schlug den letzten Akkord der Sonate an, die sie in der Hoffnung ausgewählt hatte, dass es den Kindern langweilig würde und sie freiwillig ins Spielzimmer zurückwollten.
»Wunderbar, Mademoiselle.«
Sie zuckte kurz zusammen, sah dann zu dem hochgewachsenen Bewunderer hinüber, der unter der Tür stand. Als Paul ihr Lächeln erwiderte, machte ihr Herz einen Satz. Sie erhob sich von der Klavierbank, als er auf sie zukam und sie dabei keine Sekunde aus
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