Im Sommer der Sturme
die Spannung stieg. Selbst die Mädchen verstummten und warteten, dass etwas geschah. Nur Pierre schien völlig unbeeindruckt und spielte glücklich mit den Knöpfen von Colettes Kleid.
»Vielleicht sind Sie lieber ein wenig allein«, sagte Charmaine und wandte sich zum Gehen.
»Einen Augenblick, Miss Ryan«, meinte Frederic. »Würden Sie bitte meine Geschenke an die Kinder verteilen? Sie sind alle markiert.«
Charmaine gehorchte, und Yvette riss sofort das Papier auf. Jeannette hielt ihr Päckchen einen Augenblick länger in der Hand und sah stattdessen ihre Eltern an.
Frederic lächelte ihr zu. »Willst du denn dein Geschenk nicht auspacken?«
»Na los, beeil dich«, drängte Yvette. »Ich will sehen, ob du etwas Besseres als eine dumme Puppe bekommen hast. Vielleicht können wir ja tauschen.« Sie hielt eine hübsche Porzellanpuppe mit beweglichen Lidern in die Höhe.
Charmaine zuckte innerlich zusammen. Würde der Va ter das Mädchen tadeln? Aber der lachte nur, ohne die Bemerkung vorlaut zu finden. »Was ist los, Yvette? Ich dachte, alle Mädchen spielen mit Puppen?«
»Nein, Sir. Ich hätte viel lieber ein Pferd!«
»Ein Pferd?«, fragte ihr Vater. »Aber wie hätte ich das denn in eine so kleine Schachtel verpacken sollen?«
»Das muss doch nicht verpackt werden«, erwiderte Yvette ernsthaft. »Du hättest es einfach im Stall verste cken können. Mit einer großen blauen Schleife um den Hals!«
»Ach, wirklich? Und was würdest du mit dem Pferd tun?«
»Reiten natürlich, was denn sonst?«
»Aber das ist nicht ladylike.«
Yvette rümpfte die Nase. »Ich will auch keine Lady sein, Papa. Ich wäre viel lieber ein Junge.«
»Wirklich? Warum denn das?«
»Eine Lady zu sein macht keinen Spaß. Man muss Kleider anziehen und immer aufpassen, dass sie nicht schmut zig werden. Jungen dürfen Hosen anziehen. Außerdem dürfen sie böse Wörter sagen und spucken und schwimmen und auf Bäume klettern. Ein Mädchen muss immer ordentlich sein. Das hasse ich! Ich will alles machen, was mein Bruder darf.«
Frederic war sprachlos. »Aber du darfst doch sehr viel mehr machen als Pierre.«
»Doch nicht Pierre, Papa. Ich rede von Johnny. Er macht lauter verrückte Sachen. Als er noch hier war, hatten wir viel Spaß zusammen! Jeden Tag haben wir uns etwas anderes einfallen lassen, und er hat nie gesagt, dass ich das nicht machen darf, weil ich …«
»Es ist genug, Yvette«, mahnte ihre Mutter.
»Es ist überhaupt nicht genug! Ich habe es satt, wenn ich nicht einmal seinen Namen sagen darf! Ich liebe Johnny!« Sie stützte die Hände in die Hüften und sah ihren Vater vorwurfsvoll an. »Wann kommt er denn endlich nach Hause? Wann bist du nicht mehr böse mit ihm? Wann?«
»Das dauert noch lange«, stieß ihr Vater erzürnt hervor und biss die Zähne aufeinander.
Sie stampfte wütend. » Und warum? «
»Für einige in diesem Haus ist er eine Bedrohung. Von jetzt ab wird nicht mehr von ihm gesprochen! Ist das klar, junge Lady?«
Yvettes Augen blitzten trotzig, und sie gab keine Antwort.
» Hast du mich verstanden? «
»Nein!«, schrie sie und warf die Puppe auf den Boden. Der Kopf zersprang in tausend Scherben, und das Mädchen rannte aus dem Zimmer, ohne auf den Befehl ihres Vaters zu hören. »Yvette, komm sofort zurück!«
Colette begegnete seinem vorwurfsvollen Blick mit Sanftheit und Entschiedenheit. »Es war nicht nötig, so mit ihr zu sprechen.«
»Glaubst du?«
»Sie liebt ihren Bruder und versteht es nicht …«
»Verdammt, Frau«, brüllte er, als ob ihr Wagemut ihn verblüffte. »Warum verteidigst du ihn? Du solltest den Kindern mehr Respekt vor ihrem Vater beibringen. Ich werde die Aufsässigkeit einer Achtjährigen nicht dulden! Meine Tochter hat nicht zu entscheiden, ob sie gehorcht. Sie muss gehorchen!«
Colette senkte den Kopf. Zu spät fiel Frederic ein, dass die Gouvernante noch immer im Zimmer war. »Wo ist Pierres Geschenk?«, fragte er mürrisch.
Charmaine reichte ihm das Päckchen, an das sie sich geklammert hatte, und Frederic gab es an seinen Sohn weiter. »Sieh her, Pierre, hier ist ein Geschenk für dich. Komm zu mir, wir wollen es zusammen öffnen.«
Aber der Junge wollte nicht vom Schoß seiner Mutter aufstehen.
»Komm, setz dich auf meine Knie. Deine Mutter bleibt ja bei uns. Sie ist auch neugierig, was in dem Päckchen ist.«
Doch je mehr er drängte, desto weiter wich der Kleine zurück. Mit geballten Fäustchen klammerte er sich an das Kleid seiner Mutter. Er barg
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