Im Sommer der Sturme
Arbeit an der Tafel sehr viel weniger. Warum man sie trotz allem noch beschäftigte, war Charmaine ein Rätsel.
Einige Minuten später erschien auch George. Offenbar war er über den Besuch des Bankiers unterrichtet, denn er begrüßte den Mann ausgesprochen herzlich und setzte sich nicht weit von Charmaine an den Tisch. Da nur Jeannette zwischen ihnen saß, beugte er sich zu beiden hinüber, und es dauerte nicht lange, bis Jeannette und Charmaine das erste Mal kicherten.
Paul hätte es lieber gesehen, wenn George einen Platz gegenüber der Gouvernante ausgesucht hätte, um die Vorgänge zwischen den beiden besser kontrollieren zu können. Doch nun, da die drei bereits die Köpfe zusammensteckten, war es zu spät. Plötzlich wurde er von heftiger Eifersucht gepackt. Es wird Zeit, dass ich ein Wörtchen mit George rede , dachte er.
Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder seinem Gast zu. »Ich will sofort Kontakt zu Thomas und James Harrison aufnehmen, sobald ich in Liverpool eintreffe. Beim Bau der Vagabond hatte Vater häufig mit der Werft zu tun. Zwar habe ich die Absicht, die Schiffe in den Staaten bauen zu lassen, doch die Harrisons sind erfahrene Schiffsbauer, die mir in Bezug auf den Dampfantrieb sicher Ratschläge und Empfehlungen geben können.«
»Sehr gut«, antwortete Stephen Westphal, und in diesem Stil ging es fast das ganze Essen über weiter.
Agatha haderte mit der neuen Sitzordnung, weil sie von ihrem entfernten Platz an der Tafel aus kaum Einfluss auf die geschäftlichen Themen nehmen konnte und sie der Diskussion wegen der Unruhe am Tisch leider auch nicht in der gewünschten Weise folgen konnte.
Beim Dessert wandte sich die Unterhaltung persönlichen Dingen zu. »Ich brauche eine von der Bank unterzeichnete Bestätigung für die Bank von Virginia«, sagte Paul. »Ich will dort Vermögenswerte hinterlegen, die Hälfte zu Bargeld machen und alle Zahlungen aus einer Quelle verfügen.« Er hielt einen Augenblick lang inne und fuhr dann umso energischer fort: »John hat mit dieser Sache nichts zu schaffen, Stephen. Ich würde es also begrüßen, wenn Sie mit Ihrer Tochter nicht darüber sprechen würden.«
Mr. Westphal war überrascht. »Mit Anne?«
»Sie haben vor einiger Zeit angedeutet, dass John ihr den Hof macht.«
»Ja, das stimmt. Was das angeht, so habe ich gerade einen Brief von ihr erhalten. Darin deutet sie an, dass in Kürze eine Verlobung bevorstehen könnte. Eine großartige Verbindung, finden Sie nicht auch?«
»Wahrlich großartig«, murmelte Paul und dachte an das viele Geld, das seinem Bruder mit einer solchen Heirat in den Schoß fallen würde. John waren solche Dinge nie wichtig gewesen, doch wie sonst hatte die Witwe seine Zuneigung gewonnen? Anne war zwar hübsch, was mit Ende zwanzig nicht verwunderlich war, aber Paul hatte nicht den Eindruck, dass sie Johns Typ sei.
Als ob Yvette seine Gedanken gelesen hätte, fügte sie hinzu: »Ich glaube nicht, dass Johnny sie heiratet.«
George lachte leise. »Und warum nicht, Yvette?«
»Er hat mir gesagt, dass die Frau, die er liebt, schon verheiratet ist und dass er nie eine andere heiraten wird.«
»Da haben Sie es«, rief der Bankier. »Seit Jahren hat er die Hoffnung gehegt, dass Anne eines Tages frei sein würde! Als ich vor ein paar Jahren zu Besuch in Richmond war, wusste ich bereits, dass er in sie verliebt war.«
Paul schnaubte nur.
»Sie glauben mir nicht?«, fragte der Banker und machte eine beleidigte Miene. »Nun gut, die Zeit wird es zeigen.«
Pauls Blick schweifte zu Colette hinüber, doch die flüsterte gerade mit Pierre. »Sie haben völlig recht, Stephen«, sagte er. »Doch noch einmal zu unserer Sache: Anne hat Kontakt zu meinem Bruder, deshalb bitte ich Sie um Stillschweigen. Ich möchte verhindern, dass diese Unternehmung vorzeitig bekannt wird.«
Westphal stieß ein höhnisches Lachen aus. »Und wie wollen Sie die Sache auf Dauer geheim halten, wenn Sie die Bank von Virginia für Ihre Transaktionen benötigen?«
»Das ist nicht meine Absicht«, antwortete Paul elegant. Der Gedanke, dass John ein einziges Mal nicht über alles informiert war, behagte ihm sichtlich. »Bis mein Bruder alles herausgefunden hat, werden die Verträge ausgehandelt und unterschrieben und die Gelder abgezogen sein, sodass ich keine Unannehmlichkeiten mehr befürchten muss.«
»Unannehmlichkeiten?«
»Aber, aber, Stephen, Sie kennen doch meinen Bruder. Muss ich Ihnen das wirklich noch erklären?«
»Und was ist mit der
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