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Im Sommer der Sturme

Im Sommer der Sturme

Titel: Im Sommer der Sturme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gantt DeVa
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Mittelweg. Entweder hasst man ihn, oder man liebt ihn. Für gewöhnlich in dieser Reihenfolge.«
    »Die Männer dieser Familie lieben ihn ganz bestimmt nicht.«
    Wieder zögerte Colette, als ob sie nach den richtigen Worten suchte, um das Dilemma zu beschreiben. »Seit dem Schlaganfall meines Mannes glauben Paul und Frederic, dass sie John hassen. Und er wiederum denkt , dass er sie hasst. Sicher sind Ihnen inzwischen allerlei Gerüchte zu Ohren gekommen. Die meisten sind wahr. John und sein Vater hatten einen entsetzlichen Streit, und danach war Frederic so, wie er noch heute ist! Paul war dabei, und er macht John für das Geschehene verantwortlich. Leider ist diese Wunde noch immer nicht verheilt.«
    »Und warum machen Sie John keinen Vorwurf?«
    Colette seufzte. »Dazu gibt es keinen wirklichen Grund, außerdem ist er selbst genauso betroffen. Alle waren auf Frederics Seite, ich eingeschlossen, und ich kann mir denken, dass John mich deswegen hasst. John ist genauso stur wie sein Vater. Die beiden sind sich sehr ähnlich, obwohl natürlich beide jede Ähnlichkeit abstreiten würden.«
    »Ähnlichkeit?«, fragte Charmaine. »In welcher Beziehung?«
    »Ihre Ausstrahlung, die Selbstsicherheit, die Art, wie sie mit Menschen umgehen. Wenn John sich ein Urteil bildet, muss er es nur selten revidieren. Meistens hat er recht. Der Himmel stehe demjenigen bei, von dem er keine gute Meinung hat. John ist berühmt für seine scharfe Zunge, und die kann vernichtende Folgen haben. Frederic ist ebenso kompromisslos – auch er verzeiht Fehler nicht.«
    »Mögen Sie ihn denn?«
    »Wen? John?« Colette lachte. »Sehen Sie sich meine Töchter an. Sie würden meinen Kopf fordern, wenn ich etwas anderes sagte. Als ich John kennenlernte, habe ich ihn anfangs verachtet.« Nachdenklich sah sie in die Ferne, als ob sie über die Zeit hinwegblicken könnte. »Irgend wann«, sagte sie leise, »werden Sie ihn kennenlernen, und dann werden Sie verstehen, was ich meine … Aber denken Sie daran, Charmaine, zu Anfang werden Sie ihn hassen.«
    In diesem Moment öffnete sich die Haustür, und Stephen und Paul erschienen, Agatha zwischen sich, unter den Säulen. Angesichts des Trios runzelte Colette die Stirn, doch im selben Augenblick wurde sie abgelenkt, weil die Kinder quer über die Wiese zur Veranda gerannt kamen. Yvette schrie schon von weitem vor Begeisterung und erreichte als Erste ihr Ziel. »Mama«, keuchte sie völlig außer Atem, »Chastity bekommt ein Fohlen!«
    Jeannette und Pierre holten ihre Schwester ein. Sie waren bei der Koppel gewesen und hatten zugesehen, wie der Stallmeister die braune Stute in den Hof gebracht hatte. »Das stimmt, Mama«, sagte Jeannette. »Gerald hat gesagt, dass es irgendwann im August auf die Welt kommt. Ist das nicht wunderbar?«
    »Das ist es, fürwahr!« Colette lächelte. »Ich weiß schon jetzt, was passiert, wenn das Fohlen geboren ist! Mademoiselle Charmaine und ich werden euch nicht mehr aus dem Stall herausbekommen.«
    Yvette nickte begeistert. »Muss Martin zur Geburt kommen?«
    »Das werden wir sehen … wenn es Schwierigkeiten gibt, auf jeden Fall«, antwortete Colette. »Warum fragst du?«
    »Beim letzten Mal hat er mir das Spucken beigebracht«, verkündete Yvette mit gewissem Stolz. »Aber so gut kann ich es noch nicht.«
    »Yvette«, rief ihre Mutter tadelnd und murmelte, dass Martin ein abscheulicher Mensch sei.
    Das Dinner wurde um sieben Uhr serviert. Charmaine bürstete ihr Haar, bis es glänzte, und entschied sich, es an diesem Abend lang zu tragen. Sie strich es aus dem Gesicht zurück und steckte es mit den Kämmen, die sie zum Geburtstag bekommen hatte, so an den Schläfen fest, dass sich die Lockenpracht über ihren Rücken ergoss. Sie sah hinreißend aus, als sie ins Speisezimmer kam, sodass Paul unwillkürlich nach Luft schnappte. Die Freude über sein Geschenk war ihm deutlich anzusehen.
    Stephen Westphal staunte nicht schlecht, als Paul der Gouvernante den Stuhl anbot, auf dem Agatha bei seinem letzten Besuch gesessen hatte. Offenbar hatte die hübsche Gouvernante Pauls Aufmerksamkeit errungen. Demnach waren Agathas Befürchtungen nicht aus der Luft gegriffen.
    Das fünfgängige Menü begann mit einer köstlichen Erbsensuppe. Im Gegensatz zu den trägen Bewegungen der beiden Hausmädchen lief Fatima Henderson mit schwingenden Hüften zwischen Küche und Speisezimmer hin und her. Seit Felicia von Colette ermahnt worden war und nicht mehr mit Paul flirten durfte, reizte sie die

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