Im Sommer der Sturme
glaubte, und wollte sich aufrichten. »Ich will nicht noch mehr Schwierigkeiten machen.«
»Das haben Sie noch nie getan, Colette. Der Brief ist bei George in guten Händen und wird seinen Empfänger erreichen. Legen Sie sich wieder hin und schlafen Sie endlich.«
Erschöpft und sehr viel ruhiger sank Colette aufs Kissen zurück und schloss die Augen.
»Was, zum Teufel …«
Angesichts der weit geöffneten Terrassentüren und der kalten Kompressen, die Rose seiner Patientin auf die Stirn legte, geriet Robert Blackford außer sich. »Ich dachte, ich hätte klar genug gesagt, dass Miss Colette meine Patientin ist!«
Aber Rose Richards gab nicht klein bei. »Meine Mittel mögen Ihnen altmodisch erscheinen, Robert, aber Colette fühlt sich sehr viel wohler, als wenn sie in einem stickigen Raum eingeschlossen wäre.«
»Sie sind ja übergeschnappt. Außerdem habe ich alles versucht, wie Sie wissen. Sogar Schröpfköpfe.«
Roses Gedanken rasten. »Aber zur Ader gelassen haben Sie Mrs. Duvoisin noch nicht!«
»Natürlich nicht! Miss Colette ist viel zu schwach, um eine solch absurde Prozedur zu überstehen. Ihre Mittelchen helfen ebenfalls nicht. Wenn Sie mit dem Rosenkranz in die Kapelle gehen und beten, tun Sie ihr den größten Gefallen.«
Angesichts dieser ketzerischen Worte erbleichte Rose, und Roberts Wut schwand. »Es tut mir leid«, stotterte er. »Aber ich bin mit meinem Latein am Ende.«
So hatte Rose ihn bisher nur einmal erlebt … und zwar in der Nacht, als seine Schwester gestorben war. Der Gedanke erfüllte sie mit großem Kummer. »Colette erholt sich ganz bestimmt.«
»Aber die Blockade der Lunge ist es nicht allein, die ihr Leben bedroht. Der Rest ist eine Sache zwischen Colette und Frederic … und dem Priester.«
»Father Benito?«, fragte Rose beunruhigt.
Robert nickte mit ernster Miene. »Ja, Mrs. Duvoisin hat heute Morgen nach ihm verlangt. Er kam und ist erst vor ungefähr einer Stunde wieder gegangen. Vielleicht hat ihr sein Besuch neuen Frieden geschenkt.«
Frieden? Colettes verzerrtes Gesicht spiegelte keinen Frieden wider. Das mitreißende Lächeln war verschwunden, und ihr Gesicht war von tiefen Augenhöhlen und spitzen Wangenknochen gezeichnet.
»Lassen Sie es gut sein, Rose«, drängte der Arzt. »Sie schläft jetzt. Im Augenblick können Sie nichts für Colette tun. Gehen Sie lieber und beten Sie. Die Familie kann Ihren Beistand brauchen.«
Rose verließ den Raum und nickte Agatha bekümmert zu, als sie einander auf der Schwelle begegneten.
»Papa, dürfen wir Mama jetzt besuchen?«, fragte Jeannette sofort.
Frederic hinkte ins Kinderzimmer. »Im Moment schläft sie, Prinzessin, doch ich bringe dich hin, sobald sie aufwacht. Dr. Blackford weiß, dass ich hier bei euch bin«, fügte er schnell hinzu, weil er Yvettes Entgegnung bereits ahnte. »Sobald er mich ruft, gehen wir zu ihr.«
Die Kinder nickten.
»Was habt ihr denn heute gelernt?«, fragte er, um das Thema zu wechseln. »Womöglich kann ich Miss Ryan ja ein bisschen unterstützen?«
Zum ersten Mal freute sich Charmaine wirklich über seinen Besuch.
Er ist sicher bei Colette , dachte Paul, als er in den Räumen seines Vaters niemanden antraf. Er klopfte an die Tür zum Nebenzimmer. Agatha öffnete.
»Paul«, rief sie erfreut und schloss ihn in die Arme. »Du bist wieder zu Hause!«
Er ließ die ungewohnte Begrüßung über sich ergehen und gab nach, als sie ihn ins Zimmer zog. »Wo ist mein Vater?«
»Ich weiß es nicht. Ich dachte eigentlich, er sei in seinen Räumen.«
»Wie geht es Colette?«
Bekümmert sah sie ihn an. »Nicht gut, fürchte ich. Überhaupt nicht gut.«
»Kann ich sie sehen?«
»Ich halte das nicht für klug. Robert ist im Augenblick bei ihr …«
»Aber ich will sie sehen.«
Paul durchquerte den Salon und öffnete die Tür zum Schlafzimmer, ohne auf Agathas Protest zu achten. Er stand schon am Fuß des Betts, als Robert sich umsah. »Ich muss Sie bitten zu gehen«, befahl dieser in scharfem Ton. »Mrs. Duvoisin ist nicht in der Lage, Besucher zu empfangen.«
Paul achtete nicht auf ihn. Das Entsetzen war ihm ins Gesicht geschrieben, als er auf Colette hinuntersah. Zum Glück hatte sie die Augen geschlossen und musste sein Gesicht nicht sehen. Dann schlug sie die Augen auf, und er weinte fast, als sie ein Lächeln versuchte. »Guter Gott, Colette«, murmelte er erschüttert.
»Sehe ich wirklich so schrecklich aus?« Dem leisen Lachen folgte ein krampfhafter Hustenanfall.
»Raus«,
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