Im Sturm der Gefuehle
dunkles, markantes Gesicht und die auffallenden grünen Augen unerhört anziehend machte.
Auch als er sich höflich den anderen zuwandte und Sophy nicht mehr anstarrte, war Lord Harringtons Nähe für sie allzu deutlich spürbar. Und das passte ihr nicht. Dieser Mann war einfach zu arrogant! Wie er sie angesehen hatte - wie einen köstlichen Leckerbissen, den er jeden Augenblick zu schnappen und zu verspeisen gedachte. Dieser unverschämte Kerl! Er sollte es nur versuchen.
Lord Harringtons Name war ihr nicht unbekannt. Vor ein paar Wochen hatte seine Ankunft in London Anlass für viel Gerede gegeben, und Sophy hatte natürlich alles gehört und wusste, wie überraschend er zu seinem neuen Titel gekommen war. Dass er nach einer Frau Ausschau hielt, war ebenso Gegenstand vielfacher Betrachtungen wie der Umstand, dass fast alle jungen Damen der Gesellschaft ihm nachseufzten und eifrig ihre Netze nach ihm auswarfen.
Wenn er diesen jungen, seufzenden Damen Blicke zuwirft wie eben jetzt mir, dann ist deren Reaktion verständlich, dachte sie ironisch. Natürlich war sie ihm gegenüber völlig gleichgültig. Es würde ihm nichts nützen, seinen Charme an sie zu verschwenden. Tatsächlich würde es ihr große Genugtuung bereiten, ihm die kalte Schulter zu zeigen, wie sie sich mit ungewohnter Bosheit eingestand.
Sophy erschrak über ihre Gedanken. Unter gesenkten Wimpern hervor beobachtete sie ihn und fragte sich, wie es kam, dass er so viel Widerstreben in ihr weckte. Er stellte für sie keine Bedrohung dar und hatte nichts getan, was aus dem Rahmen gefallen wäre. Nun ja, er hatte sie angestarrt. Dennoch hatte sie keinen greifbaren Grund für ihre Gefühle.
Ich habe überhaupt kein wie immer geartetes Interesse an ihm, redete sie sich wacker ein. Nicht als Liebhaber, falls ich mir einen nehmen möchte, was gottlob nicht der Fall ist. Auch nicht als Ehemann! Fast hätte sie ein lautes Schnauben ausgestoßen. Viscount Harrington gehörte bestimmt nicht zu der Sorte Mann, die sie heiraten würde, falls sie so dumm wäre, wieder eine Ehe in Betracht zu ziehen.
Da traf unvermutet sein Blick auf ihren, und Sophy wurde von einem sonderbaren Gefühl erfasst. Dennoch erwiderte sie seinen Blick direkt, nicht gewillt, ihm in diesem kleinen Scharmützel den Sieg zu überlassen. Er neigte fast unmerklich den dunklen Kopf, als würde er die Herausforderung annehmen.
Ein kampflustiges Funkeln sprang in ihre Augen, und ihre Wangen röteten sich. Plötzlich fühlte sie sich wundervoll lebendig, und der Abend, der Langeweile verheißen hatte, war unerklärlich aufregend geworden. Mit einer jähen Bewegung wandte sie sich kühl ab und raunte Lord Coleman eine geistreiche Bemerkung zu, die ihm ein Lächeln entlockte.
Obwohl sie sich närrisch schalt, konnte Sophy nicht umhin, dem Gespräch der zwei Herren neben ihr mit mehr als nur höflichem Interesse zu lauschen.
»Sind Sie schon lange in London?«, fragte Lord Coleman Harrington höflich.
»Seit Mitte März. Und ich muss sagen, dass es bis jetzt ein faszinierendes Erlebnis war.«
»Wirklich?«, gab Sir Alfred schleppend und gedehnt von sich, während seine Züge einen überlegenen Ausdruck zeigten. »Mein Lieber, ganz im Vertrauen, man sollte nie zugeben, dass man die Londoner Saison genießt.«
»Das sage ich ja nicht«, erwiderte Ives leichthin und mit glänzenden Augen, »sondern nur, dass ich sie ... irgendwie angenehm und anregend empfinde, nachdem ich meine Jugend bei der Armee und die letzten Jahre im Krieg verbrachte.«
Sir Alfred schien unangenehm berührt, doch Thomas Sutcliff fragte neugierig: »Haben Sie gegen Napoleon selbst gekämpft?«
»Gegen seine Armeen«, gab Ives schmunzelnd zurück. »Den Großteil meines Dienstes leistete ich in Indien und Ägypten ab. Ich kann nicht behaupten, dass ich mit dem kleinen Korporal persönlich die Klingen gekreuzt hätte.«
Die Jüngeren schienen sehr beeindruckt und stürzten sich in endlose Fragen, Ives' militärische Heldentaten betreffend. Sophy selbst war neugierig, und obwohl für sie schon feststand, dass Viscount Harrington kein Gentleman war, den sie näher kennen lernen wollte, war sie der Meinung, dass Marcus und die anderen gut daran täten, jemandem seines Zuschnittes nachzueifern und nicht Sir Arthur Caldwell oder Lord Coleman.
Harringtons Beziehung zu Percival Forrest aber machte sie nachdenklich. Sie hatte nicht vergessen, dass Forrest vor Simons Tod als einer von dessen neuesten Freunden in ihrem Haus
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