Im Sturm der Gefuehle
nicht ich bin, musste ich nicht weit nach meinem Rivalen suchen.«
Sie brachte ein Lächeln zustande. »Sie brauchen keine Angst zu haben, dass ich mein Herz an ihn verlor. Ich bin nur hier, weil ich dumm genug war, mich von meiner Wut zu einer unüberlegten Tat hinreißen zu lassen. Ich beabsichtige, morgen abzureisen.«
Henry nickte. »Eine Nachricht, die mich glücklich macht.« Er warf ihr einen rügenden Blick zu. »Sie sollten wirklich nicht hier sein. Wenn ich mich nicht sehr irre, wird es eine wüste Angelegenheit.«
Plötzlich glomm ein spöttischer Schimmer in Sophys Augen auf. »Dies aus Ihrem Munde? Wie oft war ich als Simons Frau Gastgeberin bei solchen Anlässen?«
»Zu oft, meine Liebe, viel zu oft«, erwiderte er und wechselte das Thema. Aber Etienne Marquette, der zu ihrer Linken saß und ihrem Gespräch mit Henry diskret gelauscht hatte, sagte leise: »Henry hat Recht. Dieser Harrington war ein so fader, steifer Kerl, als wir einander kennen lernten, und jetzt! Mon Dieu\ Nie hätte ich gedacht, ihn in solcher Gesellschaft zu sehen.« Seine schwarzen Augen glitzerten mit einer Tücke, die sie noch nie an ihm bemerkt hatte, als er murmelte: »Es ist, als sähe man, wie ein Leopard seine Flecken verändert.«
Er blickte die lange Tafel entlang zu Ives. »Ich frage mich, wer der wirkliche Viscount Harrington ist?«, sagte er nachdenklich. »Der Langweiler oder der Lebemann?«
Da Sophy seine Frage nicht beantworten konnte, war sie froh, als Lady Allenton den Damen signalisierte, dass es Zeit war, die Herren dem Port und den Zigarren zu überlassen und ihr in einen der Salons zu folgen, wo Kaffee gereicht wurde. Sophy wollte eine Tasse trinken und sich dann höflich zurückziehen, doch gab es eine Unterbrechung, die sie diesen Plan vergessen ließ.
Den Damen war eben Kaffee serviert worden, als der Butler eintrat und meldete: »Miss Weatherby, Madam.«
Zu Sophys Verwunderung segelte Agnes Weatherby herein, in einem Kleid, das eine umwerfende Verbindung von rosa Seide und Spitze darstellte und so gewagt ausgeschnitten war, dass weiches, weißes Fleisch in eindrucksvoller Menge enthüllt wurde. Die Begrüßung der beiden Frauen ließ darauf schließen, dass Agnes erwartet wurde und mit Lady Allenton auf bestem Fuß stand.
»Meine liebe Agnes, es tut mir ja so Leid, dass Ihr das Dinner verpasst habt. Haben sich die Dienstboten gut um Euch gekümmert?«
»Aber ja, mir wurde sofort ein köstliches Abendessen gebracht, das ich ungemein genoss. Sehr bedauerlich, die Sache mit unserem Wagen. Ein Radbruch, müssen Sie wissen.«
»Aber jetzt sind Sie da und allein dies zählt«, sagte Lady Allenton mit einem Lächeln. Mit einer Handbewegung, die die versammelten Damen umfasste, setzt sie hinzu: »Sie kennen doch alle?«
Agnes blickte um sich, und ihr erstaunter Blick begegnete jenem Sophys. »Ja, ich kenne alle.«
Lady Allenton berührte ihren Arm und fragte kokett: »Ist Ihr Zimmer zu Ihrer Zufriedenheit? Der liebe Edward hat es ausdrücklich für Sie bestellt.«
»Ja, ich bin äußerst zufrieden«, gab Agnes mit fast törichtem Lächeln zurück.
Sophy spürte ein ekliges Würgen. Edward hatte behauptet, dass Agnes Weatherby nicht mehr seine Geliebte sei, doch deutete alles darauf hin, dass er gelogen hatte. Der Mann lässt jegliche Moral vermissen, dachte Sophy erbittert. Schlimm genug, dass er Anne die Ehe aufzwingen wollte, aber sich dabei die Tante als Geliebte zu halten war einfach empörend!
Es sah aus, als wäre Agnes Weatherby ebenso unverschämt wie ihr Liebhaber, da sie nach ein paar Minuten zu Sophy trat und kühl bemerkte: »Ich wundere mich, Sie hier zu sehen. Nach allem, was Edward sagte, hätte ich nicht gedacht, das Sie diese Art Geselligkeit akzeptieren.«
»Ja, ich bin sicher, dass er staunen wird, wenn er mich hier antrifft«, erwiderte Sophy finster und ließ ihren Plan einer verfrühten Heimfahrt fallen.
Agnes beäugte sie unsicher. »Ich nehme an«, murmelte sie, »dass Sie meine ... Beziehung ... zu Ihrem Onkel gegen mich verwenden werden?«
»Nur wenn Sie so dumm sind und versuchen, mir Anne wegzunehmen und sie zur Ehe mit Edward zu zwingen«, erwiderte Sophy in liebenswürdigstem Ton.
»Ach, Edward hat sich von dieser Vorstellung bereits verabschiedet«, gab Agnes hochtrabend zurück. »Er hat jetzt ganz andere Pläne.«
»Ach? Und welche?«, fragte Sophy wider Willen.
Agnes sah sie listig an. »Das darf ich Ihnen nicht sagen, doch hat er mir alles erklärt.« Sie
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