Im Sturm des Lebens
sie, dass sie mit ihm zu tun haben würde. Mit Männern kam sie besser zurecht. »Ich muss Sie sprechen. Es ist dringend. Bitte, können wir ...«
»Langsam, Mrs. Avano.« Er ergriff ihren Arm. »Möchten Sie einen Kaffee?«
»O nein, ich brächte jetzt nichts herunter. Ich habe die halbe Nacht lang wachgelegen.«
Sie konzentrierte sich so auf ihren Text, dass sie nicht bemerkte, wie er seiner Partnerin rasch ein Zeichen gab.
»Wir setzen uns in die Cafeteria. Warum erzählen Sie mir nicht, was Sie so aufgebracht hat?«
»Ja, ich ... hallo, Detective Maguire, gut, dass Sie auch hier sind. Ich bin so verwirrt, so aufgebracht!« René stellte die Metallkassette, die sie bei sich hatte, mitten auf den Tisch und setzte sich. »Ich habe es endlich geschafft, den Rest von Tonys Sachen durchzusehen. Dabei habe ich diese Kassette gefunden, ganz oben in seinem Schrank. Ich wusste nicht, was darin war. Ich hatte schon genug mit all den Versicherungsunterlagen zu tun.« Mit zitternder
Stimme fuhr sie fort: »In seinem Schmuckkasten lag ein Schlüssel. Ich hatte ihn vorher schon einmal gesehen, wusste aber nicht, wofür er war. Nun« – sie wies auf die Kassette – »er gehört hierzu. Öffnen Sie sie. Bitte, ich möchte den Inhalt nicht noch einmal sehen.«
»Es sind Berichte«, sagte sie, während Claremont die Kassette aufschloss und begann, die Papiere durchzusehen. »Rechnungsbücher, oder wie sie heißen, von diesem falschen Konto, das die Giambellis eingerichtet haben. Tony muss davon gewusst haben. Und deshalb wurde er umgebracht. Er hat versucht, das Richtige zu tun, und ... es hat ihn das Leben gekostet.«
Claremont überflog die Kontoauszüge und Rechnungen und reichte dann die Unterlagen an Maguire weiter. »Sie glauben also, dass Ihr Ehemann wegen dieser Papiere umgebracht worden ist?«
»Ja, ja!« Ist dieser Mann denn dumm?, fragte sich René ungeduldig. »Ich fürchte, zum Teil mit verantwortlich zu sein. Und ich habe Angst, dass mir etwas zustoßen könnte. Ich weiß, dass mich jemand beobachtet«, fügte sie leiser hinzu. »Es mag paranoid klingen, aber ich bin mir ganz sicher. Ich habe mich wie ein Dieb aus meiner Wohnung geschlichen, um hierher zu kommen. Ich glaube, sie haben jemanden angestellt, der mich überwachen soll.«
»Wer?«
»Die Giambellis!« Sie ergriff Claremonts Hand. »Die fragen sich sicher, ob ich davon weiß. Aber ich wusste doch gar nichts davon, bevor ich die Kassette fand. Und wenn sie das erfahren, bringen sie mich um.«
»Wenn sie was erfahren?«
»Dass Sophia meinen Tony getötet hat.« René schlug die Hand vor den Mund und opferte ihr Make-up den Tränen.
»Das ist eine ernste Anschuldigung.« Maguire stand auf, um Papiertaschentücher zu holen. »Warum sprechen Sie sie aus?«
Renés Hand zitterte, als sie nach den Taschentüchern griff. »Als ich die Kassette gefunden hatte, fiel mir alles wieder ein. Es ist schon so lange her ... Ungefähr vor einem Jahr bin ich einmal nach Hause gekommen, und Sophia war da. Sie und Tony stritten sich oben. Sie war wütend, und er versuchte, sie zu beruhigen. Sie hatten mich nicht gehört. Ich ging in die Küche, aber sie waren so laut, dass ich sie immer noch hören konnte. Sie schrie – was sie immer tut, wenn sie einen ihrer schrecklichen Wutausbrüche hat. Sie sagte, sie würde nicht dafür einstehen. Sagte, die Sache ginge ihn nichts an. Was er antwortete, habe ich nicht gehört, weil seine Stimme leiser war.«
Sie tupfte sich die Tränen ab. »Tony hat ihr gegenüber nie die Stimme erhoben. Er vergötterte sie. Aber sie ... sie verachtete ihn, meinetwegen. Das Cardianili-Konto – sie hat den Namen genannt, aber ich habe dann später nicht mehr daran gedacht. Das Cardianili-Konto bleibe bestehen, und damit sei die Diskussion beendet. Und wenn er irgendetwas wegen der Rechnungsbücher unternehmen würde, dann würde er dafür bezahlen. Sie sagte ganz deutlich: ›Wenn du etwas unternimmst, dann bringe ich dich um.‹ In dem Moment habe ich die Küche verlassen, weil mich dieser Satz wütend gemacht hat. Fast zur gleichen Zeit kam sie die Treppe heruntergerannt. Sie sah mich, sagte etwas Gemeines auf Italienisch und stürmte hinaus.«
René atmete zitternd aus und schniefte ein wenig. »Als ich Tony fragte, worum es ging, sah ich, dass er ganz durcheinander war. Aber er winkte ab und meinte, es sei um Geschäfte gegangen und sie habe nur Dampf ablassen müssen. Ich beließ es dabei. Sophia hat sich oft so
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