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Im Sturm: Thriller (German Edition)

Im Sturm: Thriller (German Edition)

Titel: Im Sturm: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Nischnewartowsk demonstrieren eindeutig, was hier vor sich geht. Dann sind wir in den Augen des Westens verwundbar, und unsere Schwäche wird ausgenutzt werden. Und dabei« – er hieb mit der Faust auf den schweren Eichtentisch – »schlagen Sie die Kürzung des Treibstoffs für die Streitkräfte vor, die uns gegen den Westen verteidigen sollen!«
    »Genosse Minister, ich bin Ingenieur und kein Soldat. Ich wurde um eine Einschätzung der Lage vom technischen Standpunkt aus gebeten und habe das getan.« Sergetow war bemüht, sachlich zu klingen. »Die Lage ist sehr ernst, zieht aber zum Beispiel unsere Interkontinentalraketen nicht in Mitleidenschaft. Können sie allein uns nicht vor den Imperialisten schützen, während wir uns von diesem Schlag erholen?« Wozu sind sie sonst gebaut worden? fragte sich Sergetow. Unsummen für unproduktive Löcher vergeudet. Reichte es denn nicht aus, den Westen zehnmal zerstören zu können? Warum eigentlich zwanzigmal? Und warum war das jetzt immer noch nicht genug?
    »Haben Sie an die Möglichkeit gedacht, daß der Westen uns nicht verkauft, was wir brauchen?« fragte der Parteitheoretiker.
    »Wann haben die Kapitalisten sich je geweigert –«
    »Wann hatten die Kapitalisten je eine solche Waffe gegen uns in der Hand?« gab der Generalsekretär zu bedenken. »Zum ersten Mal ist der Westen in der Lage, uns innerhalb eines Jahres die Luft abzuschnüren. Und was, wenn man uns obendrein noch an Getreidekäufen hindert?«
    Daran hatte Sergetow nicht gedacht. Nach sieben aufeinanderfolgenden Mißernten war die Sowjetunion auf riesige Getreidelieferungen angewiesen, in diesem Jahr ausgerechnet aus den USA und Kanada, da Argentinien und in geringerem Ausmaß auch Australien wegen schlechten Wetters in der südlichen Hemisphäre karge Ernten eingefahren hatten. In Washington und Ottawa waren die Kaufverhandlungen bereits im Gange, und abgesehen vom starken Dollar, der den Weizen unverhältnismäßig verteuerte, machten die Amerikaner überhaupt keine Schwierigkeiten. Die Verschiffung des Getreides würde jedoch Monate in Anspruch nehmen. Wie einfach war es, fragte sich Sergetow, die Lieferungen im kritischen Moment wegen »technischer Schwierigkeiten« in den Getreidehäfen New Orleans und Baltimore zu verzögern oder ganz einzustellen?
    Er schaute in die Runde. Zweiundzwanzig Männer, darunter nur dreizehn, die die wirklichen Entscheidungen trafen, dachten stumm über die Aussicht auf über zweihundertfünfzig Millionen hungernde und frierende Arbeiter und Bauern nach, und das zu einem Zeitpunkt, zu dem die Truppen der Roten Armee, des Innenministeriums und des KGB ihre Bewegungsfreiheit und ihre Ausbildungsmöglichkeiten wegen Treibstoffkürzungen eingeschränkt sahen.
    Die Männer im Politbüro gehörten zu den mächtigsten der Welt und waren niemandem Rechenschaft schuldig – nicht dem ZK der Partei, nicht dem Obersten Sowjet, und schon gar nicht den Bürgern. Diese Männer hatten die Straßen Moskaus schon seit Jahren nicht mehr betreten, sondern brausten in ihren handgefertigten, von Chauffeuren gesteuerten Limousinen zwischen Arbeitsplatz und Luxuswohnungen in Moskau oder ihren Dienstdatschen vor der Stadt hin und her. Ihre Einkäufe erledigten sie in bewachten, nur für die Elite bestimmten Läden, und um ihre Gesundheit kümmerten sich Ärzte in Kliniken, die nur den Mitgliedern der Nomenklatura vorbehalten waren. Diese Männer fühlten sich als Meister ihres Schicksals.
    Erst jetzt ging ihnen auf, daß auch sie wie alle anderen normalen Menschen zum Spielball des Schicksals wurden.
    Die Bürger ihres Landes lebten zusammengepfercht in heruntergekommenen Wohnungen. Lebensmittel waren knapp. Im Überfluß gab es nur Plakate und Transparente, die den Fortschritt in der Sowjetunion und die Solidarität der Werktätigen priesen. Es gab hier am Tisch Männer, die diese Slogans für bare Münze hielten. Selbst der sonst eher kritische Sergetow glaubte sie manchmal, wenn sie ihn an seine idealistische Jugend erinnerten. Doch der Fortschritt in der Sowjetunion konnte die Lebensmittelversorgung des Landes nicht garantieren, und wie lange konnten die im Dunklen hungernden und frierenden Werktätigen Solidarität empfinden? Waren sie etwa stolz auf die Raketen in den Wäldern Sibiriens, auf die Panzer und Geschütze, die jedes Jahr zu Tausenden produziert wurden? Wenn sie zum Nachthimmel aufschauten, dachten sie dann an die Raumstation Saljut und fühlten sich inspiriert – oder

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