Im Sturm: Thriller (German Edition)
vergiftet sich. Wir können den Menschen befehlen, zu Hause zu bleiben und Türen und Fenster zu schließen, aber Häuser und Wohnblocks sind nicht luftdicht. Außerdem müssen die Leute essen. In Schlüsselindustrien muß gearbeitet werden. Ärzte, Sanitäter, Angehörige der Sicherheitskräfte, viele unserer wertvollsten Bürger, sind am stärksten exponiert. Diese Aerosole ziehen unsichtbar übers Land und verseuchen alles – Wiesen, Bäume, Zäune, Mauern, Lastwagen. Gewiß, der Regen wird viel wegwaschen, aber Tests ergaben schon vor Jahren, daß sich manche dieser Gifte an verdeckten Stellen wochen-und gar monatelang halten. Wir brauchten Tausende von Entgiftungstrupps, um unser Land wieder so sicher zu machen, daß die Bürger unbeschadet zum Markt gehen können. Oberst Mellethin hat recht: Wenn die Russen ihre C-Waffen einsetzen und die Amerikaner entsprechend reagieren, können wir von Glück sagen, wenn in sechs Monaten noch die Hälfte unserer Bevölkerung am Leben ist. Es ist leichter, die Bürger vor den Auswirkungen von Kernwaffen zu schützen als vor Gasen.«
Moskau
»Was haben die gesagt?« schrie der Verteidigungsminister fast.
»Unsere Genossen aus dem sozialistischen Bruderstaat DDR haben uns mitgeteilt, daß sie den Einsatz von C-Waffen auf ihrem Territorium als schwerwiegende Frage von nationalem Interesse betrachten müssen«, erklärte der Außenminister trocken. »Darüber hinaus leitete man uns Geheimdienstmeldungen zu, die deutlich darlegen, daß der Gebrauch solcher Waffen die Haltung der Nato nur verhärten und möglicherweise zum Einsatz anderer Massenvernichtungsmittel führen würde.«
»C-Waffen sind aber Teil des Plans!« wandte der Verteidigungsminister ein.
»Genossen«, merkte Sergetow an, »wir alle wissen, daß der Einsatz chemischer Kampfstoffe katastrophale Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung hat – würde er also nicht unsere politische maskirowka entwerten? Behaupten wir nicht, wir lägen nur mit der Regierung der Bundesrepublik im Streit? Wie sähc es aus, wenn wir schon am ersten Kriegstag kaltblütig Tausende von Zivilisten ausrotteten?«
»Es stellt sich noch eine weitere Frage«, sagte Bromkowski. Er war zwar alt und gebrechlich, genoß aber dank seiner Erfahrungen aus dem letzten Krieg gegen die Deutschen Respekt. »Wenn wir diese Waffen gegen alle Nato-Armeen einsetzen – und wie könnten wir sie auf deutsche Einheiten beschränken? –, werden Amerika und Frankreich, die Gas als Massenvernichtungswaffen betrachten, mit ähnlichen Mitteln antworten.«
»Das Arsenal der Amerikaner ist ein Witz«, erwiderte der Verteidigungsminister.
»Ich habe Studien aus Ihrem Hause gesehen, die etwas anderes aussagen«, versetzte Bromkowski. »Vielleicht werden Sie die Kernwaffen der Nato auch komisch finden! Wenn wir Tausende von westdeutschen Zivilisten töten, wird die Bundesregierung den Einsatz von Atomwaffen gegen Ziele auf unserem Territorium fordern. Glauben Sie vielleicht, der Präsident der Vereinigten Staaten würde zögern, seine Massenvernichtungswaffen freizugeben, wenn wir ein paar tausend amerikanische Soldaten umgebracht haben? Genossen, wir diskutieren diese Frage nicht zum ersten Mal. Der Krieg gegen die Nato ist eine politische Operation, nicht wahr? Warum werfen wir mit dem Einsatz solcher Waffen unsere politische Camouflage weg? Inzwischen steht fest, daß mindestens ein Nato-Land nicht an dem russisch-deutschen Krieg teilnehmen wird; ein großer Erfolg unserer politischen Strategie. Mit dem Einsatz von C-Waffen gehen wir dieses Vorteils verlustig und setzen uns politischen Gefahren in mehr als einer Richtung aus.
Ich finde, daß das Politbüro die Kontrolle über diese Waffen behalten sollte. Genosse Verteidigungsminister, wollen Sie uns sagen, daß der Krieg nur mit Massenvernichtungsmitteln zu gewinnen ist?« Der Alte beugte sich grimmig entschlossen vor. »Hat sich die Lage geändert? Sagten Sie nicht, unsere Armeen würden zurückbeordert, wenn das strategische Überraschungsmoment verlorengeht? Ist dieser Fall eingetreten?«
Das Gesicht des Verteidigungsministers wurde starr. »Die Rote Armee ist bereit und in der Lage, ihren Auftrag auszuführen. Zum Rückzug ist es nun zu spät. Auch dies ist eine politische Frage, Petja.«
»Die Nato mobilisiert«, merkte Sergetow an.
»Viel zu spät und nur halbherzig«, gab der Direktor des KGB zurück. »Ein Land haben wir bereits vom Nato-Bündnis abgespalten. Andere bearbeiten wir und verbreiten
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