Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)
denn Hunger?«
Sie schüttelte seine Arme ab und ging zum Kühlschrank. Als sie die Tür aufmachte, blendete sie das Licht. »Vielleicht ein bisschen von allem, was gut ist?«
Obwohl sie ihren Kopf gerade im hell erleuchteten Kühlschrank hatte, lächelte Jadick ihr zu. Er streckte das Kinn vor. »Du hast nicht zufällig mit mir gesprochen, oder, Herzchen?«
Sie machte die Kühlschranktür wieder zu.
»Du hast recht«, sagte sie.
»Du hast mit dem geredet, mit dem ich auch immer rede, wenn ich wissen will: Warum ich? Stimmt’s?«
»Wahrscheinlich schon«, antwortete sie.
»Und du kriegst nie ’ne Antwort, was?«
»Nein.« Wanda setzte sich an den Tisch und stützte das Kinn in die Hände. »Aber ich glaube, das ist auch egal.«
Als das Telefon schrillte, sprang Wanda erschrocken auf und sah Jadick an. Nachdem es ein paarmal geklingelt hatte, schüttelte sie verständnislos den Kopf und nahm den Hörer ab.
»Ach, hallo«, sagte sie.
Jadick ging auf die Veranda, die sich allmählich zu seinem Lieblingsplatz entwickelte. Er blickte hinaus auf den schwarzen Sumpf und stellte sich vor, dass die Schatten lebende Silhouetten und das Zirpen, Summen, Flattern und Platschen kodierte menschliche Mitteilungen waren, die diese Silhouetten weitergaben, während sie ihn vom Wasser aus beobachteten.
Zehn Minuten lang saß er da, während er Wandas Seite eines verrückten Telefongesprächs zuhörte, und er stellte sich vor, er würde von einer Gruppe von Feinden umzingelt, die die Natur genau imitierten.
Als Wanda fertig war, setzte sie sich zu ihm auf die Couch.
»Wer war denn das? Wer ruft dich nachts um Viertel vor drei hier an?«
» O h Mann«, sagte Wanda mit einem tiefen Seufzer. »Das war meine Freundin Hedda. Die, mit der ich mich zum Mittagessen getroffen habe. Sie war hackevoll.«
»Und warum hat sie angerufen?«
»Ich bin ihre Freundin. Sie ist mit Shuggie Zeck verheiratet, weißt du. Und jetzt hat sie von der Sache im Rio, Rio gehört, und sie kann Shuggie nirgends finden.«
»Na, so was«, meinte Jadick. »Und da hat sie gedacht, er ist hier?«
»Nein, Mann, nein. Herrgott, ich würd doch ihren Mann nicht vögeln. Er ist bei ’nem großen Pokerspiel, ein Stück die Straße hoch von hier. Im Badehaus am Holiday Beach. Da gibt’s kein Telefon, und sie sagt, er spielt um die großen grünen Scheinchen.« Wanda wiegte nachdenklich den Kopf. »Jetzt hat sie Angst, dass ihr zu dem Spiel auch kommt und dass ihm was passiert.«
»Der Schuppen ist ein Stück die Straße hoch von hier?«
»Eine Meile. Höchstens zwei.«
Sie schwiegen beide. Die Klospülung rauschte. Nackte Füße tappten über den Küchenfußboden. Ein lautes Bellen wehte über den Sumpf. Etwas klatschte ins Wasser. Die Kühlschranktür ging auf, und Cecil knurrte: »Scheiße, nichts zu essen.«
Jadick sagte: »Die großen grünen Scheinchen, was?«
» O h Mann, das ist zu viel für mich.«
»Jede Menge Kohle, was?«
»Emil? O h Mann, ich hab da echt ein blödes Gefühl dabei. Ehrlich.«
»Mach Kaffee«, befahl Jadick. »Sofort.«
»Kaffee?«, fragte Wanda. » O h Mann, du willst da hin. Mann, das Risiko ist viel zu groß.«
»Mein liebes Kind«, sagte er, »weißt du, was das Schicksal ist? Was? Weißt du’s?« Er drückte ihr Knie, bis sie sich krümmte. »Also, ich werde es herausfordern.«
Nur eine Lampe brannte, als Shade das Billardzimmer seiner Mutter betrat. Monique saß auf einem hohen Hocker neben der großen roten Kühltruhe und bürstete mit kräftigen Strichen ihr knöchellanges graues Haar. Tagsüber trug sie es wie eine Krone in Zöpfen um den Kopf gewickelt, aber nachts ließ sie es offen, was ihr das Aussehen einer alten Hexe verlieh.
»Hey, Ma«, sagte Shade. How Blanchette und François lehnten am Billardtisch und ließen die Bälle gegen die Bande rollen. Shade sagte: »Ich hoffe, es ist wichtig, ich hab nämlich endlich geschlafen!«
»Junge«, begann Monique, während sie ihre anderthalb Meter langen Haare weiterbürstete. »Sie haben dich nicht hierher geholt, um dich zu ärgern.«
»Na, wer weiß«, meinte Shade. »Also, raus mit der Sprache – wie tief steck ich in der Scheiße?«
»Keiner hat gesagt, dass du in der Scheiße steckst«, antwortete François. Er schien selbst nicht besonders begeistert davon, dass er um diese Zeit hier sein musste. François war ein paar Zentimeter größer als Shade, und wenn er müde war, so wie jetzt, dann stand er ziemlich gebückt. Seine Haare waren dunkel, und er
Weitere Kostenlose Bücher