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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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ausgeleuchtet und gewollt künstlerisch in gekräuselten Rauch gehüllt. Sie hatte den herausfordernden Augenwinkelblick einer selbstbewussten Frau aufgesetzt, die soeben eine besonders provokative Anmache losgelassen hatte; das grandiose Dekolleté und die vollen Lippen schienen demjenigen Mann eine üppige Belohnung aus dem Schatzkästlein zu versprechen, der die besten Sprüche draufhatte. Ihre Haare waren schwarz wie Krähenflügel und zu einer zeitlosen Hochfrisur aufgeplustert.
    Als sie wieder an der Bar saß, öffnete Etta ihren Joan-Jett-Koffer und legte das Foto auf ihre saubere Unterwäsche und die kostbare Sammlung an Barschködern, die Grampa Enoch ihr im Verlauf mehrerer Ferien geschenkt hatte.
    John X griff tief in die Bodenvitrine, fischte nach dem Koffer aus steifem Leder, in dem sein Balabushka-Queue steckte, mit dem er dreißig Jahre gelebt hatte, und zog es hervor. Staub bedeckte den Koffer, und alte Pfandhauszettel klebten noch auf dem Leder. John X betrachtete versunken Zettel und Staub, als er hörte, wie ein Schlüssel in der Vordertür umgedreht wurde.
    » O -oh«, sagte er, wandte sich schnell um und stieß die Tür des Safes zu. Ein Budweiser-Spiegel verbarg normalerweise den Safe, aber der lag jetzt auf dem Fußboden. Die Vordertür ging auf »He, Lunch, wie steht’s?«, sagte John X.
    »Fast bis zum Hals«, sagte Lunch Pumphrey. Seine Redeweise war ruppig und grob wie Appalachenholz. Er war knappe eins fünfundsechzig Bösartigkeit in Reinkultur, trug einen Hut aus schwarzem Stroh mit Klappkrempe, schwarze Stiefeletten, eine schwarze Hose und eines der langärmeligen schwarzen Hemden, die er bei jedem Wetter bevorzugte, weil sie das Wirrwarr alberner Tätowierungen verdeckten, die er sich in die Arme stach, wenn er besoffen war. »Warum ist denn der Safe nicht abgedeckt, Paw-Paw?«
    Als Lunch um die Bar herumkam, sagte John X: »Fliegenschiss, Lunch. Mann, der Spiegel war voller Fliegenschiss, und die Mädels haben sich darin angeguckt und sind rausgerannt, weil sie dachten, sie hätten lauter Syphilispusteln auf den Lippen. Schlecht fürs Geschäft. Musste ihn putzen.«
    Lunch verharrte mit einer Hand auf der Theke. Seine Haut war blass und ohne die geringsten Sorgenfalten, sein Gesicht hager und knochig, mit dunklen Grabesaugen.
    »Ist noch immer viel zu heiß«, sagte er und sah dann zu Etta. »Puh! Ich wette, der Köter da schnappt gleich zu.«
    »Sie ist zahm, Lunch«, gab John X zurück.
    »Ich zieh das Kind doch nur auf«, sagte Lunch. »Meine Schwester hat mich immer gehänselt und mir böse Namen gegeben, bis sie eines Tages aufgehört hat, überhaupt irgendwas zu sagen. Aber was sie getan hat, war gut für mich, auf lange Sicht.« Lunch fächelte sich mit dem Hut Luft zu und legte ihn dann auf die Bar. »Ich muss was aus dem Safe holen, Paw-Paw, also geh da mal zur Seite.«
    John X sah erst Etta, dann die Whiskeyflasche auf der Bar und schließlich die winzige kahle Stelle in Lunchs roten Stoppeln an, als der sich zum Safe beugte.
    »Heute Abend dürfte es hier wohl ruhig sein«, sagte John X, als Lunch mit flinken Drehungen die Kombination einrasten ließ. Dann ergriff er die Flasche Maker’s Mark mit der rechten Hand und schmetterte sie entschlossen von hinten gegen Lunchs Kinnlade, gleich unterhalb seines Ohrs.
    Etta schrie, als Lunch zur Seite sackte. Seine Hände griffen nach den Flaschen hinter der Bar. Die kippten um und krachten auf den Boden. Die Luft war getränkt vom Geruch der zerborstenen Schnapsflaschen, und Lunch kroch grunzend auf allen vieren im dreiundvierzigprozentigen Schlamm.
    »Jetzt mach endlich mal Pause, Herrgott noch mal!«, sagte John X, trat näher heran und schlug abermals zu. Diesmal ging Lunch k.o. und landete auf dem Kinn. John wirbelte herum und sah Etta an.
    Ettas Hände quetschten die RC -Flasche. Ihre Augen waren schreckgeweitete Kreise.
    »Schnapp dir deine Sachen«, sagte John X, und sie nickte langsam. »Wir müssen ins Krankenhaus. Vielleicht weiß Grampa Enoch, wie wir aus dieser Sache rauskommen sollen.«
    Er erleichterte die Registrierkasse um die siebzig Dollar darin, und steckte sie zu den neun Mäusen in seiner Brieftasche. Unter der Kasse hing an einem Haken in Reichweite eine .38er Bulldog, die er in einer Tasche seiner hellblauen Shorts versenkte. Er fand eine Schachtel Munition und steckte sie ebenfalls ein. Dann stopfte er sein Queue in die Tüte mit dem Schnaps und hob sie auf. Er ging um die Bar herum, öffnete die Vordertür

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