Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
Vom Netzwerk:
der Klinge in die Haut geritzt hatte.
    Er zog sich im Vorderzimmer an. Er wählte den schicksten Zwirn aus seinem Koffer mit den Sachen eines Toten. Er plagte sich mit den Knöpfen, aber bewältigte auch diese neuerliche Herausforderung an seine Handfertigkeit. Leider hatte er nur die schwarzen Turnschuhe, und er beugte sich nach unten, um die Schnürsenkel zuzubinden. Als er wieder hochkam, stand Lunch Pumphrey in der Türöffnung, ganz in Schwarz, die Hutkrempe in der Stirn, eine kleine Hand in die Tasche seiner Levi’s gezwängt, in der anderen kleinen Hand einen .45er Colt.
    »Paw-Paw, schon seit Stunden hab ich Enochs Truck unter Observation«, sagte Lunch leutselig. »Und jetzt hatte ich’s satt zu warten, dass du auftauchst.«
    »He, nichts für ungut, Lunch …«, sagte John X. »Sag, was willste denn trinken?«
    »Oh, mir brummt der Schädel noch von gestern Abend, Paw-Paw. Ich glaub, dass ich gerade nichts zu trinken will.«
    John X rückte seinen Hemdkragen zurecht und richtete sich auf. Er warf einen verstohlenen Blick zur Couch hinüber, wo Enochs Pistole versteckt war. »Ich rat mal, dass mir ziemlich heftige Schmerzen bevorstehen, oder, Lunch?«
    »Da brauchst du nicht groß zu raten, Paw-Paw.«
    »Na ja«, sagte John X. »Ein Drink steht mir auch bevor.« Er schlurfte durchs Zimmer zur Küche und seiner Flasche Maker’s Mark. »Ich hab’s mir irgendwie schon gedacht, dass du auftauchst.«
    »Du weißt doch, dass ich in derlei Dingen kein Erbarmen kenne«, sagte Lunch.
    John X zog den Korken mit Schwung heraus, sog den süßsauren Maischeduft tief ein, setzte den Flaschenhals an und nahm einen großen Schluck.
    »Wo ist das Geld?«, fragte Lunch.
    »Hölle und Asche, Freundchen, von dem Geld ist nichts mehr übrig als allerbeste Erinnerungen und neunhundert Piepen. Ich hab’s mit Freuden verjubelt. Yeah, Lunch. Ist alles für gute Zwecke draufgegangen, wenn du ’nen Buchmacher ’nen guten Zweck nennst. Aber wahrscheinlich nicht.«
    Das faltenreiche Gesicht von John X nahm die lebhaften Züge eines munteren Schwadroneurs an, und die Art, wie er mit den Armen gestikulierte, hatte ihren saloppen Charme.
    »Hör mal, Paw-Paw, du willst mir also erzählen, neunhundert Mäuse sind alles, was du von siebenundvierzigtausend Dollar übrig hast?«
    »Nun, es sind eigentlich neunhundertfünfzig«, verbesserte John X und schwenkte seine Flasche. »Aber ich würd gern fünfzig behalten, damit ich sie dem alten St. Pete zustecken kann – wer weiß, was das mal bringt.«
    Lunch Pumphreys dunkle Grabesaugen verengten sich, und er schob seinen Hut mit der Klappkrempe ganz leicht aus dem Gesicht.
    »Was du mir zugemutet hast, beweist, dass du irrsinnig bist. Also kannst du mir ruhig auch die Einzelheiten zumuten.«
    »Randi war stinksauer auf mich, und bei Pascagoula ist sie mit der Kleinen abgesprungen und hat sich dünnegemacht. Und so allein, wie ich war, hab ich beschlossen, dein Geld zu nehmen und mich zum Millionär zu machen!« Er schüttelte eine Zigarette aus dem Päckchen, ließ sein 8-Ball-Feuerzeug aufklappen und steckte sie sich an.
    »Stell dir vor, ich hab mich nach dem Rat der Football-Experten gerichtet, Lunch, und fünfzehn Riesen auf die ausgebufften ’Bama-Boys gesetzt. Letzten Samstag sind sie gegen ein Team aus Florida angetreten, von dem der Quarterback-Star und der beste Wide Receiver kurz zuvor wegen Vergewaltigung hinter Gitter verfrachtet worden waren. Das hätte doch ein Vorteil sein müssen, oder? Wenn’s nicht gerade zu einem verdammten Knastausbruch kam, musste die Crimson Tide das Ding in der Tasche haben. Aber wie du vielleicht weißt, hat doch tatsächlich gegen Ende des vierten Viertels dieser Bulle von Runningback, der sich im Frühling aus einer Einbruchsanklage rauswinden konnte, den Ball innerhalb der Zehn-Yard-Linie verloren, und dieser Linebacker aus Florida, der gerade seine Sperre wegen dem tätlichen Angriff im Sommer hinter sich hatte – das war in allen Zeitungen, weißt du noch? – ist auf das Ei gesprungen und hat ’Bama dran gehindert, alles klarzumachen.«
    John X nuckelte an seiner Zigarette, schüttelte den Kopf und sagte: »Da möchte man doch am liebsten kotzen, oder?« Der alte Mann sah Lunch ins Gesicht und zog eine Grimasse. »Criminentlies, das hab ich also mit deinem Gesicht gemacht, hä? Nichts gebrochen?«
    Lunch lehnte sich an eine Wand und klopfte mit dem Pistolenlauf leicht auf seinen Oberschenkel.
    »Nur ’ne Quetschung«, sagte er. »Leichte

Weitere Kostenlose Bücher