Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)
Ledoux diese Gegend beschützt, schon damals, im Alter von zehn Jahren, als die Deutschen von der Southside in drei schnellen Wagen vorgefahren waren, um wegen einer Sache, die ihren Stolz verletzt hatte und inzwischen längst in Vergessenheit geraten war, Rache zu üben. An diesem Tag hatte er sich das Handgelenk gebrochen, weil ihn ein grimmig aussehender Dutch Boy von mindestens fünfzehn – doppelt so groß wie Ledoux und kein Freund von Fairness – zu Boden geschlagen hatte. Es hatte viele solcher Tage und Nächte gegeben, sie zogen sich wie ein roter Faden durch sein Leben.
Und jetzt war er unterwegs, um die Einladung nach Pan Fry zu tragen, alte Streitigkeiten beizulegen, rüberzukommen und einen Weißen kaltzumachen. Oder zwei oder drei. Herrgott, wie sich alles verändert hatte.
Besser er als ich. Das jedenfalls änderte sich nie.
Eines Tages würde ihn niemand mehr so behandeln wie Roque. Das war Ledoux’ Lebensziel. Aber zuerst kam das Geschäft.
Bei einer Telefonzelle vor Langlois’s Package Liquor Store fuhr er an den Straßenrand. Die Türangeln quietschten, als er sich in die Zelle quetschte. Die Wände waren reich verziert mit schlechten Witzen und Beleidigungen und schlampig hingekritzelten, aber wärmstens empfohlenen Telefonnummern. Er musste daran denken, wie er vor gut einer Woche mit Teejay Crane gesprochen hatte.
»Hör mal«, hatte Ledoux im Foyer von Cranes Stripclub zu ihm gesagt. »Roque hat dich auf dem Kieker. Ich weiß nicht, ob du weißt, warum, aber er hat dich am Wickel.«
Teejay Cranes Nase war oben ganz schmal und lief unten breit aus. »Ein Schwarzer hat mich reingelegt«, erwiderte er. »Das ist alles, was Steve mir vorwerfen kann.«
»Ich glaub nicht, dass es darum geht«, meinte Ledoux. »Ich glaub, es geht um das Geld, das du ihm schuldest. Steve mag’s nicht, wenn man ihn verarscht.«
»Tja, wer mag das schon?«
»Du vermutlich«, sagte Ledoux. »Du leihst dir Geld, um hier ein bisschen Koks zu verticken und eine Liveshow mit ein paar Muschis aufzuführen, nur kann Sundown Freiberufler gar nicht leiden. Ihm passt deine Unabhängigkeit nicht. Und das ist genau der Grund, weshalb dir Roque was leiht. Aber dann kommen die Cops und wissen offensichtlich haargenau, was du treibst und wo. Und jetzt erzählst du mir, du bist nicht sicher, ob du blechen willst.« Ledoux fuchtelte ihm drohend mit dem Zeigefinger vor dem Gesicht herum. »Du hörst dich an wie jemand, der es irgendwie drauf anlegt, dass man ihn verarscht.«
Crane lehnte sich ans Treppengeländer, um sein lahmes rechtes Bein zu entlasten. Man sah ihm an, dass er in letzter Zeit nicht besonders gut geschlafen hatte.
»Ich brauchte die Kohle, um die ganze Sache ein bisschen zu schmieren«, erklärte er. »Sundown ist ’n gieriger Nigger. Der würde mir nie erlauben, allein was aufzuziehen. Könnte ja sein, dass durch mich ein paar Cents weniger in seiner großen Tasche landen. Da musste ich eben auf eigene Faust ein bisschen Geld verteilen, sogar bis rauf zu Alvin Rankin.«
»Das denkst du.«
»Ich weiß es. Ich weiß es, weil Alvin mich angerufen und gewarnt hat, dass ich ’ne Razzia kriege. Hat gesagt, er kann mir nicht helfen. Hat gesagt, er hat Wichtigeres zu tun.« Crane seufzte und schüttelte den Kopf. »Für mich ist der Typ bloß ’ne hinterhältige Schlange. Gib ihm deine Stimme, und zwei Minuten später hat er vergessen, wo er sie herhat. Er hätte sich für mich einsetzen können, aber Sundown hat ihn so unter Druck gesetzt, dass er mich fallen gelassen hat. So ist das gelaufen, das weiß ich.«
»Tja«, sagte Ledoux, »du tust mir echt leid, Crane. Mein Herz kriegt schon Nasenbluten vor lauter Mitgefühl, das kannst du mir glauben. Aber wenn du mich vom Hals haben willst, dann musst du mit uns ins Reine kommen. Vor allem mit Steve. Für den ist Beine brechen so leicht wie Apfelkuchen essen, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Ich verstehe«, meinte Crane. »Aber versuch mal, die Sache von meinem Standpunkt aus zu betrachten.«
»Also ich für meinen Teil betrachte nur ’nen Kerl, der bis zum Hals in der Scheiße steckt und nicht mal versucht, da wieder rauszukommen. Rankin hat dich übers Ohr gehauen, du Arschloch.«
Crane warf wütend den Kopf zurück.
»Ja«, wiederholte Ledoux, »Ich hab dich Arschloch genannt, du hast’s gehört. Arschloch. Der Mann hat dich übers Ohr gehauen, hat dich wie einen Leibeigenen behandelt, und du willst lieber sterben, als es ihm heimzuzahlen.
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