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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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wehtun.«
    »Pass auf, Willie«, sagte Shade, »ich will doch bloß wissen, ob ein Cop namens Bell dein blödes Bein zerdeppert hat, also frag ich dich jetzt: ›Hat ein Cop namens Bell dein blödes Bein zerdeppert?‹, und dann hast du Gelegenheit, mit ›ja‹ oder ›nein‹ zu antworten, und wenn du das tust und ich so blöd bin, dir zu glauben, dann brauchst du nicht zu befürchten, dass ich dir noch weiter auf den Pelz rücke, klar?«
    »Ich hab gehört, das ist ’ne Spezialität von dir, Shade.« Wieder ließ Willie die Finger auf dem Rückenkratzer auf und ab gleiten, als hätte er unsichtbare Saiten. Dabei sah er zur Decke, ganz versunken in sein lautloses Solo.
    »Stimmt«, antwortete Shade, beugte sich wieder vor und stieß das Gipsbein vom Hocker. Dann stand er auf und schlug Willie die Sonnenbrille von der Nase. »Man hat mir schon vorgeworfen, ich sei brutal, Mann. Mehrmals. Aber du solltest wissen, dass ich trotzdem gut schlafen kann.«
    Willie rieb sich mit zwei Fingern den Nasenrücken, eine ungeduldige, verächtliche Geste.
    »Glaubst du denn wirklich, ich mach einen Cop vor einem anderen schlecht? Scheiße, Mann, du hast dich ja sowieso schon auf den Kerl eingeschossen. Hier sitz ich, praktisch verkrüppelt bis Halloween, und du schubst mich rum, weil ich ein bequemes Opfer bin.« Er bückte sich nach der Sonnenbrille und versteckte sich wieder dahinter. »Warum interessiert dich das überhaupt so brennend? Hat er dir deinen Anteil weggeschnappt?«
    Shade, der sich für den Sklaven vieler widerlicher Leidenschaften hielt, war überzeugt davon, dass er zwar brutal und blöd sein konnte, zu langsam oder zu schnell, sich aber von keinem Stück Papier mit irgendwelchen Zahlen drauf kaufen ließ. Diese fast eselhafte Sturheit war bei einem Menschen so selten anzutreffen, dass er einen perversen Stolz für seine eher poetische als vulgäre Form der Korrumpierbarkeit hegte.
    Deshalb schlug er Willie die dunkle Brille noch mal von der Nase, worauf dessen Gesicht einen etwas hilflosen Ausdruck der Wut annahm.
    »Du Arschloch«, sagte er und wollte aufstehen, Gipsbein hin oder her. »Das ist mein Haus.«
    »Bleib lieber sitzen«, sagte Shade leise. »Du hast nicht den Mumm dazu, das wissen wir beide.« Er schüttelte den Kopf, hob die Brille auf und gab sie Willie zurück. »Ich bin müde, Mann, das ist alles. Bitte um Vergebung.« Damit setzte er sich auf die Armlehne von Willies Stuhl und tätschelte ihm den Kopf. »Könntest du dein verkümmertes Herz dazu bringen, mir noch mal zu verzeihen?« Jetzt schien dieser Heavy-Metal-Dieb zum ersten Mal wirklich Angst zu kriegen. »Schau, gestern Abend hat man Officer Bell umgelegt, und als wir den erstbesten Stein umdrehen, was finden wir da, du Superstar? Deinen Namen.«
    »Ach du Scheiße, Mann, du denkst doch nicht etwa …«
    »Jetzt hast du kapiert, in welcher Lage du bist, was?«
    Die plötzliche Einsicht brachte Willie zum Zittern, und er klopfte mit dem Rückenkratzer nervös auf sein Gipsbein.
    »Du weißt doch, dass ich so was nie tun würde«, beteuerte er. »Sagen wir’s ganz offen, Mann, ich weiß, was ich bin. Ich bin ein Musiker, der nie den Durchbruch geschafft hat, also stolpere ich in fremden Autos manchmal über Kassettenrecorder und so Zeugs. Das Glücksspiel hat’s mir auch angetan, und ich mag Musik, aber das Stehlen ist meine persönliche Platin-Schallplatte – du weißt doch, ich würd nie einen umlegen, und schon gar nicht Gerry Bell.«
    »Gerry, ja?«, wiederholte Shade. »Also kanntest du ihn?«
    »Hey, ’ne Menge von uns kleinen Fischen haben Officer Bells Bekanntschaft gemacht, Mann.« Willie legte die Hand auf den Mund und drückte die Lippen zusammen. Aber dann sagte er: »Wo er jetzt schon mal tot ist, erzähl ich’s dir, Shade. Ja, der blöde Bell hat mir das Bein gebrochen, hier in diesem Zimmer, und das auch noch vor Bettys Augen. Kam einfach reinspaziert in seiner beschissenen Uniform, um zu kassieren, und ich war knapp bei Kasse. Da hat er mir ’n Vierteldollar ins Gesicht geschmissen und gesagt: ›Das ist für den Eintritt, Drecksack, ich zahl für mein Vergnügen.‹ Und dann hat er zugehauen, Mann. Hat höllisch wehgetan.«
    »War Mouton, sein Partner, auch dabei?«
    »Der saß draußen im Streifenwagen.«
    Während Shade noch über Bells Methoden zur Erfüllung seiner Pflicht nachdachte, ging die Tür auf, und der kleine Mick kam herein.
    »Gibt’s was zu essen?«, fragte er. Seine Ellbogen waren aufgeschürft, er

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