Im Tal der flammenden Sonne - Roman
von drinnen »Herein!« gerufen wurde, war sie ehrlich überrascht. Sie hatte damit gerechnet, dass Maggie aufgestanden war und in der Küche schon wieder das Kommando übernommen hatte. Doch zu Arabellas Verwunderung lag Maggie noch im Bett.
»Guten Morgen, Maggie. Wie fühlen Sie sich heute?«, fragte Arabella vorsichtig.
»Noch ein bisschen benommen, aber das gibt sich bis heute Abend sicher wieder.« Maggie klang bedrückt.
»Werden Sie nur wieder richtig gesund, alles andere können Sie getrost uns überlassen.«
»Wie ist es denn gestern Abend gelaufen? Haben unsere Gäste sich gut unterhalten?«
»O ja, großartig«, sagte Arabella. »Moira hat mich schon gefragt, ob ich heute Abend noch einmal für sie spiele.«
Maggie zog die Stirn in Falten. »Ich muss mich unbedingt um das Essen kümmern.«
»Wir helfen heute Morgen alle, damit das Frühstück auf den Tisch kommt, und beim Mittagessen machen wir’s genauso.« Sie deutete auf die Teekanne neben dem Bett. »Tony hat Ihnen schon Tee gebracht, wie ich sehe. Ich werde Ihnen ein paar Scheiben Toast dazu bringen.« Sie wandte sich zum Gehen.
»Ich sollte Brot backen«, sagte Maggie mit einem Anflug von Verzweiflung in der Stimme. »Es kann ja kaum noch was da sein.«
»Das Backen hat schon jemand anders übernommen«, sagte Arabella, die den Duft von frischem Brot im Flur gerochen hatte.
Maggie machte ein verdrießliches Gesicht. Es war einfach nicht in Ordnung, dass ihre Gäste ihre Arbeit für sie erledigten.
»Nun schauen Sie nicht so finster, Maggie«, sagte Arabella begütigend. »Glauben Sie mir, jeder hier hilft gern. So, und jetzt hole ich Ihnen Toast.«
Sie ging nach unten in die Küche, wo Moira und Jane mit der Zubereitung des Essens beschäftigt waren. Auch Janes zwölfjährige Tochter Alice packte mit an. Anscheinend waren die Frauen schon sehr früh aufgestanden: Gleich mehrere Brotlaibe lagen zum Auskühlen auf der Arbeitsfläche. Jane, die Spiegeleier briet, drehte sich um, als Arabella hereinkam.
»Da kommt ja unser großes Talent!«, begrüßte Moira sie und brachte Arabella damit in Verlegenheit. »Wir wollten Ihnen gerade das Frühstück hinaufbringen.«
»Das ist doch nicht nötig«, wehrte Arabella ab. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie sehr sie sich verändert hatte. Daheim in England hätte sie es für selbstverständlich gehalten, bedient zu werden. Auch wenn sie sich unfreiwillig in Marree aufhielt, so hatte sie hier zum ersten Mal im Leben das wunderbare Gefühl, gebraucht zu werden, zu etwas nütze zu sein.
»Wir dachten, Sie würden gern noch ein bisschen im Bett bleiben«, sagte Moira, »damit Sie heute Abend frisch und ausgeruht sind.«
»Ich wollte eigentlich nur das Frühstück für Maggie holen«, erwiderte Arabella. An den Abend hatte sie gar nicht mehr gedacht, weil ihr so viele andere Dinge durch den Kopf gingen.
»Was möchte sie denn?«, fragte Moira.
»Ein, zwei Scheiben Toast reichen.«
»Wie wär’s mit einem Spiegelei dazu?«, schlug Jane vor. »Die Eier sind gleich so weit.«
»Gute Idee«, pflichtete Arabella ihr bei. »Wo ist Tony?«
»Hinter dem Haus, Holz hacken«, antwortete Moira. »Wie geht es Maggie heute Morgen?«
»Besser, aber ihr ist immer noch schwindlig. Ein zusätzlicher Tag Bettruhe wird ihr guttun.«
»Ich hab gehört, sie soll ernsthaft krank sein«, sagte Moira im Flüsterton. »Aber als ich sie das letzte Mal sah, vor ungefähr zwei Monaten, schien sie in guter Verfassung, deshalb habe ich nicht nachgefragt.« Die Frauen trafen sich zweimal im Jahr bei einer Zusammenkunft der Landfrauen in Marree, Farina oder Lyndhurst. Moira war die Vorsitzende des Vereins.
»Zu mir hat sie nie etwas gesagt«, meinte Arabella beunruhigt.
»Wahrscheinlich ist auch nichts dran an der Geschichte«, entgegnete Moira. »Im Outback kursieren eine Menge Gerüchte.«
»Wo wohnt eigentlich der nächste Arzt?«, fragte Arabella.
»Dr. Roberts? Oh, der ist ständig zwischen Hawker in der Flinderskette und Alice Springs unterwegs – vorausgesetzt, der Zug fährt. Meist bleibt er eine Woche in jeder Stadt und kümmert sich um seine Patienten. Wer auf den umliegenden Farmen wohnt, hat dann Zeit genug, zu Dr. Roberts zu kommen. Jetzt, wo der Zug nicht verkehrt, wird er auf einem Kamel unterwegs sein. Deshalb lässt sich schwer sagen, wann er hier eintreffen wird.«
Arabella stellte das Tablett mit Maggies Frühstück auf dem Nachttisch ab.
»Wie läuft es unten?«, fragte Maggie.
»Bestens.
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