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Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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selten – auch befahren wurde. Von wem auch immer.
    »Hier!«, schrie Nora.
    Debbie bremste, setzte ein Stück zurück und bog in den Weg ein. »Das Gras steht ganz schön hoch. Ryan ist damals ein ziemliches Risiko eingegangen.«
    »Es war ein warmer, trockener Augustabend«, sagte Nora. »Der Weg hier sah bestimmt ganz anders aus.«
    Sie waren eine ganze Weile auf der Straße unterwegs gewesen, und auch dem Feldweg mussten sie nun noch über eine erstaunlich lange Strecke folgen. Ryan hatte erzählt, dass er während mancher Jahre seiner Kindheit die Höhle fast täglich aufgesuch t hatte. Er hatte sein Fahrrad benutzt, trotzdem musste er lange unterwegs gewesen sein. Die völlige Abgelegenheit der Höhle tief in einem unwegsamen Gebiet hatte ihm natürlich auch Sicherheit gegeben: So leicht konnte niemand sein Versteck finden.
    Der Feldweg wurde immer schmaler, holpriger und unwegsamer, und schließlich hörte er ganz auf und ging in eine Wiese über, deren Gras fast einen Meter hoch stand. Debbie hielt an und schaltete den Motor aus.
    »Tut mir leid, Nora, aber weiter wage ich es nicht. Irgendwie müssen wir ja später aus dieser Einöde auch wieder rauskommen. Ryan fuhr damals einen Kastenwagen, der um einiges höher lag als mein Auto, und vielleicht war die Wiese Ende August auch gemäht. Ich fürchte, wir müssen zu Fuß weiter.«
    Die beiden Frauen stiegen aus. Der Regen war schwächer geworden, aber ein stetiges Nieseln hing in der Luft. Immer wieder einmal schrie ein Vogel, ansonsten war nichts zu hören. Kein Mensch schien in der Nähe zu sein.
    Debbie trug ihren Werkzeugkasten, Nora die Taschenlampen und ihre Wegbeschreibung. Am Ende der Wiese befand sich ein kleines Waldstück.
    »Da müssen wir durch«, sagte Nora. »Und da Ryan es mit dem Auto geschafft hat, scheint es einen Weg zu geben.«
    Ihrer beider Hosenbeine waren nass bis zu den Schenkeln hinauf, nachdem sie die Wiese überquert hatten. Der Wald erwies sich im Näherkommen als lichter und weiter, als es zunächst den Anschein gehabt hatte. Es gab keinen offiziellen Weg, aber sie fanden einen Durchgang, den ein Auto nehmen konnte, falls der Fahrer bereit war, ziemlich rücksichtslos mit seinem Wagen umzugehen. Eines stand fest: Andere Fahrzeuge kamen hier nie im Leben hin, höchstens im Herbst ein Traktor, um die Wiese zu mähen. Auch befand sich hier keine offizielle Wanderroute. Eine Art Niemandsland, das Ryan entdeckt hatte.
    Und beklommen dachte Nora: Hier soll jemand vorbeigekommen sein und Vanessa Willard befreit haben? Das ist kaum denkbar.
    Der Wald öffnete sich, und sie fanden sich plötzlich auf einer kleinen Anhöhe wieder. Vor ihnen flachte das Land zu einem Tal ab, fast nicht mehr als eine lang gestreckte Senke, an deren anderem Ende nur noch wenige Bäume standen. Der Boden war hier mit Flechten und kurzem Heidekraut bewachsen und stellenweise von Felsen durchsetzt. Ein bestenfalls bei schönem Wetter als idyllisch zu bezeichnendes Fleckchen Erde, aber keineswegs spektakulär. Kein Ausflugsziel. Nichts Besonderes.
    Die Frauen blieben stehen, betrachteten das flache, stille Tal.
    Nora sprach als Erste. »Das Tal des Fuchses. So hat er es genannt.«
    Debbie war so in Gedanken versunken, dass sie zusammenzuckte. »Das Tal des Fuchses? Wieso?«
    »Diese Höhle, die er als Junge gefunden hat«, sagte Nora. »Er hielt sie zunächst für einen Fuchsbau. Aber es kann natürlich auch etwas anderes gewesen sein.«
    Debbie räusperte sich. Sie sah aus, als würde sie am liebsten die Flucht ergreifen. Nora ging es genauso. Die beklemmende Einsamkeit und Verlassenheit des Ortes, die Düsternis des Tages, der Regen und das Wissen darum, was hier geschehen war, legten sich wie Blei über ihr Gemüt.
    »Wo … ist denn nun die Höhle?«, fragte Debbie, während sie ihre Augen schweifen ließ, und fast im selben Atemzug fügte sie hinzu: »Oh, ich glaube, das dort hinten könnte es sein, oder?«
    Nora folgte ihrem Blick. Rechterhand, dort, wo das Tal bereits wieder sanft anzusteigen begann, erhob sich ein großes Stück Felsen; wären sie an der Küste gewesen, hätte es eine Klippe sein können. Große Büschel Farn wucherten am Fuße des Felsens, von oben fielen lilafarbene Glockenblumen in langen Kaskaden an ihm hinunter. Das wirklich Interessante aber war die Ansammlung von Geröll, die man bei scharfem Hinsehen und nur dann, wenn man gezielt danach suchte, unter dem dichten Pflanzenbewuchs erkennen konnte.
    »Sagte er nicht, er habe den

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